Acht Diskriminierungsverbote im Arbeitsrecht zu beachtenAllgemeines Gleichbehandlungsgesetz in Kraft

Mit dem "Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung" (BGBl. I 2006, S. 1897 ff.) werden 4 EU-Richtlinien, die Benachteiligungen verbieten, in deutsches Recht übergeleitet. Wesentlicher Inhalt ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Das Gesetz ist am 18. August 2006 in Kraft getreten.

1. Kurzüberblick

Im Bereich Beschäftigung und Beruf bzw. Arbeitsrecht sind künftig Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verboten.

Das AGG gilt weiter im Zivilrechtsverkehr für den "Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum". Nach dem Gesetz sind Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft grundsätzlich unzulässig. Darüber hinaus sind bei privatrechtlichen Versicherungen sowie bei sog. Massengeschäften oder Geschäften, bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (Beispiel: Verkauf von Backwaren, Wurst), auch Diskriminierungen wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität untersagt.

Auf die betriebliche Praxis d. h. auf das Arbeits- und Geschäftsleben wird das Gesetz großen Einfluss haben. Nachfolgend soll ein erster Überblick über die wesentlichen, für die Personalpraxis in Handwerksbetrieben relevanten Inhalte des Gesetzes gegeben werden. Weiter werden Hinweise zur Umsetzung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen des AGG im Betrieb gegeben.

Das AGG beinhaltet eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe ("erforderliche Maßnahmen" zum Schutz vor Benachteiligungen, "legitimes Ziel"), die erst im Lauf der Zeit durch die Rechtsprechung geklärt werden. Bis zur Klärung bestehen noch Unsicherheiten im richtigen Umgang mit dem AGG.

2. Inhalt des AGG im Bereich des Arbeitsrechts

Das AGG schützt Beschäftigte vor Benachteiligung 

  • aus Gründen der Rasse oder
  • wegen der ethnischen Herkunft
  • wegen des Geschlechts (Frau / Mann)
  • wegen der Religion
  • wegen der Weltanschauung
  • wegen einer Behinderung
  • wegen des Alters
  • wegen der sexuellen Identität (Hetero-, Homo-, Bisexuelle, ...).
    (Diskriminierungsgründe)

Der Begriff der "Behinderung" umfasst nicht nur Schwerbehinderung. Er entspricht der Definition in § 2 Sozialgesetzbuch IX. Buch (SGB IX). Der EuGH stellte in einem Urteil (Rs.: C-13/05) kürzlich klar, dass unter den Begriff Behinderung grundsätzlich keine Krankheiten fallen. Unter „Alter“ ist das Lebensalter, egal ob jung oder alt, zu verstehen.

Beschäftigte sind beispielsweise Arbeitnehmer, Auszubildende und arbeitnehmerähnliche Personen (Heimarbeiter etc.). Das AGG findet auch Anwendung auf Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist (z.B. hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung).

Soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft, dürfen auch Selbständige, freie Mitarbeiter und Organmitglieder, insbesondere GmbH-Geschäftsführer und Vorstände, nicht wegen der genannten Kriterien benachteiligt werden.

Eine Benachteiligung kann unmittelbar durch Ungleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Situationen erfolgen. Möglich ist auch eine mittelbare Benachteiligung. Diese liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen der genannten Gründe gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können. Beispiel: Eine Regelung benachteiligt Teilzeitkräfte, unter denen sich ein signifikant höherer Anteil von Frauen befindet. Keine Benachteiligung ist gegeben, wenn die Vorschriften, Kriterien oder Verfahren durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

Verboten sind auch Belästigungen einschließlich sexueller Belästigungen. Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen (Beispiel: Mobbing), die mit einem der genannten Diskriminierungsgründe in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterung, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

3. Verbot der Benachteiligung

Das Verbot der Benachteiligung aufgrund der genannten Diskriminierungsgründe gilt für Arbeitgeber / Selbständige, Vorgesetzte und andere Beschäftigte. Wer Leiharbeitnehmer einsetzt, gilt neben dem Verleiher insoweit auch als Arbeitgeber. Unzulässig ist eine Benachteiligung insbesondere

  • im Bewerbungsverfahren
  • bei der Einstellung
  • beim beruflichen Aufstieg / Beförderung
  • bezüglich Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses
  • bei der beruflichen Bildung, insbesondere Ausbildung
  • ggf. auch über die Beendigung der Beschäftigung hinaus (betriebliche Altersversorgung etc.)

Ausnahmen

Eine unterschiedliche Behandlung ist erlaubt, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Eine unterschiedliche Behandlung ist ausdrücklich dann gerechtfertigt, wenn der Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. Beispiel: Im Handwerk kann beispielsweise die besonders starke körperliche Belastbarkeit eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen. Eine Person mit schwerer körperlicher Behinderung wird diesen Beruf daher im Regelfall nicht ausüben können.

Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ist ausdrücklich auch dann zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein "legitimes Ziel" gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen "angemessen und erforderlich" sein.

4. Maßnahmen und Pflichten des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligung wegen eines Diskriminierungsmerkmals im Sinne des AGG (Aufklärung der Mitarbeiter oder organisatorische Abläufe, etc) zu treffen. Dieser Schutz umfasst auch vorbeugende Maßnahmen. Was hierunter genau zu verstehen ist, wird u.a. von der Größe des Betriebes abhängen.

Werden Beschäftigte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit durch Dritte (Kunden, Lieferanten etc.) benachteiligt (Beispiel: Kunde diskriminiert Mitarbeiter wegen seiner ethnischen Herkunft bzw. Hautfarbe), so hat der Arbeitgeber die „im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen“ Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten zu ergreifen.

Der Arbeitgeber soll in geeigneter Art und Weise, insbesondere im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung, auf die Unzulässigkeit von Benachteiligungen im Sinne des AGG hinweisen und darauf hinwirken, dass diese unterbleiben. Hat der Arbeitgeber seine Beschäftigten in geeigneter Weise zum Zwecke der Verhinderung von Benachteiligungen geschult, gilt dies als Erfüllung seiner Pflichten. Art und Umfang der Schulung hängen insbesondere auch von der Größe des Betriebes ab.

Verstoßen Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen.

Der Arbeitgeber darf Beschäftigte nicht wegen der Inanspruchnahme von Rechten oder wegen der Weigerung, eine diskriminierende Anweisung auszuführen, benachteiligen (Maßregelungsverbot).

5. Folgen eines Verstoßes 

  • Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot können sich Beschäftigte bei "den zuständigen Stellen" des Betriebes (Personalchef, ggf. Arbeitgeber persönlich oder sonstige Stelle) beschweren. Die Beschwerde ist zu prüfen. Das Ergebnis ist mitzuteilen.
  •  Weiter kann der Beschäftigte Unterlassung bzw. Beseitigung der Benachteiligung verlangen.
  • Hat der Arbeitgeber die Pflichtverletzung zu vertreten, weil er beispielsweise keine Schutzmaßnahmen getroffen hat, kann Schadensersatz verlangt werden. Ein Anspruch eines abgelehnten Stellenbewerbers auf Einstellung oder eines Beschäftigten auf beruflichen Aufstieg besteht nicht.
  • Zudem kann der Beschäftigte eine "angemessene" Entschädigung in Geld (eine "Art Schmerzensgeld") verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung 3 Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, es sich also nicht um den bestqualifizierten Stellenbewerber handelt. Wendet der Arbeitgeber benachteiligende Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen mit dem Betriebsrat an, ist er nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er dabei vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.
  • Ergreift der Arbeitgeber keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung einer Belästigung oder sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz, sind die betroffenen Beschäftigten berechtigt, ihre Tätigkeit ohne Verlust des Arbeitsentgelts einzustellen, soweit dies zu ihrem Schutz erforderlich ist (Leistungsverweigerungsrecht).
  • Ein im Betrieb vorhandener Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft können in Betrieben, für die das Betriebsverfassungsgesetz gilt, bei groben Verstößen eigene Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungsansprüche geltend machen, auch ohne Zustimmung des Betroffenen. Die Geltendmachung von individuellen Ansprüchen des Benachteiligten ist ausgenommen.

6. Ausschlussfristen

Ein Anspruch auf Entschädigung oder Schadensersatz nach dem AGG muss innerhalb einer Frist von 2 Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung. In allen anderen Fällen einer Benachteiligung beginnt die Frist zu dem Zeitpunkt, in dem der Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

Eine Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG muss innerhalb von 3 Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden.

7. Bekanntmachungspflichten

Das AGG, § 61 b Arbeitsgerichtsgesetz sowie Informationen über die betriebliche Beschwerdestelle sind im Betrieb bekannt zu machen.

8. Beweislast und Rechtsschutz

Wenn im Streitfall eine Person "Indizien beweist", die eine Benachteiligung vermuten lassen, trägt die andere Seite (Arbeitgeber) die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Außerdem können sog. Antidiskriminierungsverbände Betroffene beraten und unter bestimmten Voraussetzungen als Beistände in Verhandlungen auftreten. Beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird eine Antidiskriminierungsstelle eingerichtet, an die sich Personen wenden können, die der Ansicht sind, benachteiligt worden zu sein. Hierbei kann diese Stelle insbesondere informieren und eine gütliche Beilegung zwischen den Beteiligten anstreben.

9. Schlussvorschriften und In-Kraft-Treten

Vom AGG kann nicht zu Ungunsten der geschützten Personen abgewichen werden.

Das Gesetz ist am 18. August 2006 in Kraft getreten. Dabei gibt es im Bereich des Zivilrechts eine "Schonfrist" von 3 Monaten nach In-Kraft-Treten des Gesetzes bei Benachteiligungen wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Bei privatrechtlichen Versicherungen greift das Gesetz erst für Verträge ab dem 22.12.2007. Für den Bereich von Beschäftigung und Beruf bzw. des Arbeitsrechts gibt es keine Übergangsbestimmungen.

Links zum Gesetzestext:

Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Weiterführende Links:

EuGH-Urteil (Rs.: C-13/05)

August 2006