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Verfall von Urlaubsansprüchen bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern

Rechtsexperten der Handwerkskammer geben Infos und Tipps zum Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts

Jeder Arbeitnehmer hat nach dem Bundesurlaubsgesetz in jedem Kalenderjahr auch dann Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, wenn er im gesamten Urlaubsjahr arbeitsunfähig krank war. Bei langjährig arbeitsunfähigen Arbeitnehmern ist die Regelung des Bundesurlaubsgesetzes, wonach der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres genommen werden muss, konform mit dem europäischen Recht so auszulegen, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG, Az. 9 AZR 353/10) in seinem Urteil vom 7. August 2012.

Der Fall: Eine schwerbehinderte Arbeitnehmerin war bis zum 31. März 2009 bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der einschlägige Tarifvertrag Anwendung. Nachdem die Arbeitnehmerin im Jahr 2004 erkrankte und ab Ende 2004 eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung erhielt, ruhte das Arbeitsverhältnis. Nach den tariflichen Regelungen vermindert sich die Dauer des gesetzlichen Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen tariflichen Zusatzurlaubs für jeden Kalendermonat des Ruhens um ein Zwölftel.

Mit Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis machte die Arbeitnehmerin die Abgeltung, d.h., die Auszahlung ihres gesetzlichen und tariflichen Urlaubs für die Jahre 2005 bis 2009 geltend. Das BAG urteilte, dass die geltend gemachten Abgeltungsansprüche der Arbeitnehmerin größtenteils verfallen sind. Der Arbeitnehmerin wurde lediglich die Abgeltung des gesetzlichen Erholungsurlaubs und des gesetzlichen Zusatzurlaubs für Schwerbehinderte aus den Jahren 2008 und 2009 zugestanden.

Das Gericht berief sich dabei auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 22. November 2011 (EuGH, Rs. C‑214/10 KHS AG / Schulte). In dieser Entscheidung änderte der EuGH seine Rechtsprechung zum unbegrenzten Ansammeln von Urlaubsansprüchen langzeiterkrankter Arbeitnehmer dahin, dass der Verfall von Urlaubsansprüchen 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres nicht zu beanstanden sei, wenn einzelstaatliche Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten wie etwa Tarifverträge dies so vorsehen.

Am Ergebnis ändert die tarifliche Regelung, die das Arbeitsverhältnis bei Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung ruhend stellt, nichts, da der gesetzliche Mindesturlaub nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien steht. 

Wichtig: Über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende Urlaubsansprüche können bereits vor diesem Zeitraum verfallen, wenn dies im anzuwendenden Tarifvertrag oder im einzelnen Arbeitsvertrag so geregelt ist.

Die Rechtsexperten der Handwerkskammer geben Mitgliedern Infos und Hinweise zum BAG-Urteil und zum Urlaubsrecht.

Weiterführende Links:

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 56/12 vom 7. August 2012

Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 22.11.2011, Rs. C‑214/10

 

Oktober 2012