Franz Xaver Peteranderl

Peteranderl: "Müssen mit drastischem Einbruch rechnen"Die gute Handwerkskonjunktur wird jäh ausgebremst

29. April 2020

Das 1. Quartal 2020 markiert eine Zäsur im langen Konjunkturaufschwung des bayerischen Handwerks. „In den vergangenen sechs Jahren verzeichneten die Betriebe, angeführt vor allem von den Bau- und Ausbaugewerken, kräftige Umsatzzuwächse. Das Plus im Gesamthandwerk zwischen 2013 und 2019 betrug insgesamt 29 Prozent. Gebremst wurde die Entwicklung lediglich vom Fachkräftemangel. Die Beschäftigung konnte im gleichen Zeitraum nur um rund 8 Prozent zulegen. Die gute konjunkturelle Entwicklung wird nun jäh ausgebremst“, betont Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstages (BHT).

Für das 1. Quartal 2020 wird für das bayerische Handwerk aufgrund der noch verhältnismäßig „normal“ verlaufenen Monate Januar und Februar und der ungebrochenen, durch den milden Winter sogar noch begünstigten Bautätigkeit, lediglich ein moderater Umsatzrückgang erwartet. „Doch schon im 2. Quartal müssen wir mit einem drastischen Konjunktureinbruch rechnen – vor allem bei den Betrieben, die der Industrie zuliefern und im Kfz-Handwerk“, sagt Peteranderl.

Bei der Beurteilung der Geschäftslage im 1. Quartal sank der Anteil der Befragten, die die Lage als positiv oder zufriedenstellend beurteilten, gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 12 Punkte auf 79 Prozent. Dramatisch eingebrochen sind die Erwartungen für die kommenden Monate: 38 Prozent der Betriebe rechnen mit einer Verschlechterung der Lage. Dies ist der größte Stimmungseinbruch, der jemals in der Umfrage gemessen wurde. Vor Jahresfrist lag der Wert nur bei 4 Prozent. Obwohl die strengen Kontaktbeschränkungen erst im März in Kraft traten, wurde die Corona-Krise bereits von vielen Betriebsinhabern in die Befragung eingepreist: Der Anteil jener, die die Geschäftslage positiv beurteilten, lag im 1. Quartal nur noch bei 44 Prozent (minus 12 Punkte gegenüber dem Vorjahresquartal), während die negativen Einschätzungen um 12 Punkte auf 21 Prozent anstiegen.

Zum ersten Mal seit 5 Jahren sank die Auslastung zu Jahresbeginn

Die Betriebe im Freistaat konnten ihre Kapazitäten im 1. Quartal auch nicht mehr im gewohnten Umfang auslasten. Zum ersten Mal seit fünf Jahren sank die Auslastung zu Jahresbeginn im Vergleich zum Vorjahr. 75 Prozent bedeuten einen Rückgang um 5 Punkte. Auch die Orderreichweite blieb zum ersten Mal seit 2013 hinter ihrem Vorjahreswert zurück: Ende März hatten die Betriebe durchschnittlich noch Aufträge für 9,2 Wochen in ihren Büchern, 1,5 Wochen weniger als vor einem Jahr.

Weil der Shutdown der Wirtschaft großflächig erst Mitte März erfolgte und gerade die umsatzstarke Baubranche bisher noch keine allzu großen Auswirkungen der Krise verspürt, rechnet der BHT für das 1. Quartal mit einem relativ moderaten Umsatzrückgang für das Gesamthandwerk. Nach ersten Schätzungen wurden etwa 25 Milliarden Euro umgesetzt. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum ist dies ein nominales Minus von 2 Prozent. Nach Abzug der lebhaften Preissteigerung dürfte das reale Minus bei etwa 5 Prozent liegen. Es ist davon auszugehen, dass aufgrund der zu erwartenden Rezession der Preisanstieg für Handwerkerleistungen ins Stocken gerät.

Da Beschäftigungseffekte immer erst zeitverzögert auftreten, dürfte sich die Corona-Krise auf die Mitarbeiterzahl im bayerischen Handwerk bis Ende März noch nicht gravierend ausgewirkt haben. Nach BHT-Schätzungen waren im 1. Quartal etwa 949.800 Personen in den Betrieben tätig. Binnen Jahresfrist bedeutet dies einen Anstieg um 0,5 Prozent.

Für das Gesamtjahr wird ein reales Umsatzminus von 5 Prozent erwartet

Der Anteil investierender Betriebe sank im Berichtszeitraum um 1 Punkt auf 38 Prozent. Auch das Volumen war rückläufig. Nach Schätzungen wurden zwischen Januar und März etwa 675 Millionen Euro in neue Fahrzeuge, Gebäude und Maschinen investiert. Das entspricht einem Rückgang von 3,6 Prozent gegenüber dem Jahresstart 2019. Die Zahl der Betriebe lag im Berichtszeitraum unverändert bei 202.000. Für das Gesamtjahr erwartet der BHT ein Umsatzminus von nominal 5 Prozent im bayerischen Handwerk. Dies gilt aber nur für den Fall, dass die umsatzstarke Bautätigkeit in gewohntem Umfang weiterlaufen kann. Andernfalls könnte das Minus noch deutlich größer ausfallen. Die Zahl der Beschäftigten dürfe um 0,5 Prozent abnehmen, die Investitionen um 4,9 Prozent sinken.

„Momentan leiden die Betriebe vor allem unter der Schließung ihrer Arbeitsstätten und unter fehlendem Material. Aufträge werden storniert, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen z.B. wegen Kinderbetreuung nicht zur Verfügung. Infolge der prognostizierten Rezession wird der private Konsum schwächeln, Investitionen werden deutlich zurückgefahren und Exporte erheblich beeinträchtigt. Das heißt, selbst wenn die direkten Auswirkungen der Pandemie zeitnah überwunden werden könnten, wird diese zweite Welle der Corona-Krise die Handwerkskonjunktur mittelfristig schwer belasten“, fürchtet der BHT-Präsident.

Die Soforthilfemaßnahmen von Bund und Land leisten einen wichtigen Beitrag, um die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Handwerk und Mittelstand so gering wie möglich zu halten. „Allerdings erreichen uns immer wieder Beschwerden von Handwerkerinnen und Handwerkern aus ganz Bayern, dass die Auszahlung oft noch zu lange dauert“, berichtet Peteranderl. Die Gründe sind vielfältig, von EDV-Schwierigkeiten bei den Behörden bis hin zu unvollständig ausgefüllten Formularen der Unternehmen. „Diese Probleme müssen schnell behoben werden“, fordert der BHT-Präsident, „jeder Tag ohne Geldeingang kann für die Betriebe existenzbedrohend sein.“

Soforthilfen reichen auf Dauer nicht

Da Betriebe aus fast allen Gewerken über Wochen keine Einnahmen erzielt haben, reichen die Soforthilfen aber nicht auf Dauer. Denn gleichzeitig sind die Kosten für den Lebensunterhalt und Mietzahlungen weitergelaufen. Da die Zahlung von Steuern und Sozialversicherungsabgaben aber nur gestundet sind, seien neue Verbindlichkeiten entstanden, so Peteranderl: „Die in den guten Jahren angesparten Reserven mussten angegriffen oder sogar ganz aufgebraucht werden.“ Das verschlechtere die Investitionsmöglichkeiten der Unternehmen drastisch.

Das bayerische Handwerk fordert, die öffentliche Auftragsvergabe zu beschleunigen und dabei auch kleine und mittlere Unternehmen zu berücksichtigen. „Der finanzielle Kraftakt der Hilfsprogramme macht nämlich nur Sinn, wenn beim Wiederhochfahren der Wirtschaft auch die entsprechende Nachfrage generiert werden kann. Bei dieser Gelegenheit könnten auch Planungs- und Genehmigungsverfahren verschlankt werden“, betont der BHT-Präsident. Um Konsum und Investitionen zu fördern, regt das bayerische Handwerk an, Steuern und Abgaben jetzt zu senken und den Solidaritätszuschlag vollständig abzubauen. Davon würden auch die Verbraucher profitieren – der private Konsum könnte steigen. Peteranderl: „Um die Nachfrage zu steigern, könnte der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für Hotels und Gaststätten zeitlich begrenzt auch auf Handwerkerleistungen ausgedehnt werden.“

Um die Liquidität der Betriebe zu verbessern, schlägt der BHT vor, die Grenze für die Abschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgütern anzuheben und die degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter wiedereinzuführen. Weiteres Sparpotenzial für die Unternehmen sieht der BHT bei den Energiekosten. „Mehr als die Hälfte des Strompreises ist vom Staat gemacht, durch Steuern, Abgaben und Umlagen. Auch die Netzentgelte sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Um die Kosten zu reduzieren, sollten sowohl die EEG-Umlage als auch die Stromsteuer gesenkt werden“, fordert der BHT-Präsident.

Beitrag von Alexander Tauscher zur Handwerkskonjunktur:

Dieser Inhalt wird Ihnen aufgrund Ihrer aktuellen Datenschutzeinstellung nicht angezeigt. Bitte stimmen Sie den externen Medien in den Cookie-Einstellungen zu, um den Inhalt sehen zu können.

hwkmuenchen · KONJUNKTUR EINBRUCH IM BAYERISCHEN HANDWERK
Ansprechpartner

Jens Christopher Ulrich

Stabsstellenleiter, Pressesprecher

Telefon 089 5119-122

Fax 089 5119-129

jens-christopher.ulrich--at--hwk-muenchen.de

Alexander Tauscher

Pressesprecher

Telefon 089 5119-120

Fax 089 5119-129

alexander.tauscher--at--hwk-muenchen.de