Franz Xaver Peteranderl

Peteranderl: "Müssen mit drastischem Einbruch rechnen"Die gute Handwerkskonjunktur wird jäh ausgebremst

29. April 2020

Das 1. Quartal 2020 markiert eine Zäsur im langen Konjunkturaufschwung des oberbayerischen Handwerks. „In den vergangenen sechs Jahren verzeichneten die Betriebe, angeführt vor allem von den Bau- und Ausbaugewerken, kräftige Umsatzzuwächse. Das Plus im Gesamthandwerk zwischen 2013 und 2019 betrug insgesamt 29 Prozent. Gebremst wurde die Entwicklung lediglich vom Fachkräftemangel. Die Beschäftigung konnte im gleichen Zeitraum nur um knapp 9 Prozent zulegen. Die gute konjunkturelle Entwicklung wird nun jäh ausgebremst“, betont Kammerpräsident Franz Xaver Peteranderl.

Für das 1. Quartal 2020 wird für das oberbayerische Handwerk aufgrund der noch verhältnismäßig „normal“ verlaufenen Monate Januar und Februar und der ungebrochenen, durch den milden Winter sogar noch begünstigten Bautätigkeit, lediglich ein moderater Umsatzrückgang erwartet. „Doch schon im 2. Quartal müssen wir mit einem drastischen Konjunktureinbruch rechnen – vor allem bei den Betrieben, die der Industrie zuliefern und im Kfz-Handwerk“, sagt Peteranderl.

Bei der Beurteilung der Geschäftslage im 1. Quartal sank der Anteil der Befragten, die die Lage als positiv oder zufriedenstellend beurteilten, gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 15 Punkte auf 74 Prozent. Dramatisch eingebrochen sind die Erwartungen für die kommenden Monate: 47 Prozent der Betriebe rechnen mit einer Verschlechterung der Lage. Dies ist der größte Stimmungseinbruch, der jemals in der Umfrage gemessen wurde. Vor Jahresfrist lag der Wert nur bei 6 Prozent. Obwohl die strengen Kontaktbeschränkungen erst im März in Kraft traten, wurde die Corona-Krise bereits von vielen Betriebsinhabern in die Befragung eingepreist: Der Anteil jener, die die Geschäftslage positiv beurteilten, lag im 1. Quartal nur noch bei 40 Prozent (minus 14 Punkte gegenüber dem Vorjahresquartal), während die negativen Einschätzungen um 15 Punkte auf 26 Prozent anstiegen. Auch bei der Einschätzung der Auftragseingänge zeigen sich bereits deutliche Bremsspuren. Nur noch 13 Prozent meldeten einen Anstieg der Nachfrage (minus 15 Punkte gegenüber dem Vorjahreszeitraum). Die übliche Belebung der Handwerkstätigkeiten wird in diesem Frühjahr weitgehend ausfallen. Nur 13 Prozent rechnen mit lebhafterer Nachfrage. Binnen Jahresfrist hat sich dieser Wert halbiert. 40 Prozent der Befragten erwarten dagegen in den kommenden Monaten eine weiter rückläufige Nachfrage. Im 1. Quartal 2019 lag dieser Wert nur bei 8 Prozent.

Zum ersten Mal seit 5 Jahren sank die Auslastung zu Jahresbeginn

Die Betriebe im Kammerbezirk konnten ihre Kapazitäten im 1. Quartal auch nicht mehr im gewohnten Umfang auslasten. Zum ersten Mal seit fünf Jahren sank die Auslastung zu Jahresbeginn im Vergleich zum Vorjahr. 74 Prozent bedeuten einen Rückgang um 5 Punkte. Am höchsten war die Betriebsauslastung mit 81 Prozent im Ausbauhandwerk, verbrauchernahe Dienstleister wie Friseure, Augenoptiker und Maßschneider waren im Durchschnitt nur noch zu 59 Prozent ausgelastet. Auch die Orderreichweite blieb zum ersten Mal seit 2014 hinter ihrem Vorjahreswert zurück: Ende März hatten die Betriebe durchschnittlich noch Aufträge für 8,8 Wochen in ihren Büchern, 0,7 Wochen weniger als vor einem Jahr. Vor allem die Zulieferer und Unternehmensdienstleister wurden schwer getroffen: Dort sank der Auftragsbestand um mehr als ein Viertel auf 5,4 Wochen und damit auf den niedrigsten Stand seit zehn Jahren. Vergleichsweise gut sieht es im Bauhauptgewerbe mit einem Vorlauf von 12,4 Wochen (minus 0,5 Wochen) aus.

Obwohl der Jahresbeginn noch weitgehend störungsfrei verlief, registrierten die Betriebe in München und Oberbayern bis Ende März schon deutliche Einbußen in ihrer Geschäftstätigkeit: Nur noch 11 Prozent (minus 9 Punkte) meldeten steigende, 46 Prozent zumindest konstante Umsätze (minus 7 Punkte). Weil der Shutdown der Wirtschaft großflächig erst Mitte März erfolgte und gerade die umsatzstarke Baubranche bisher noch keine allzu großen Auswirkungen der Krise verspürt, rechnet die Kammer für das 1. Quartal mit einem relativ moderaten Umsatzrückgang für das Gesamthandwerk. Nach ersten Schätzungen wurden etwa 8,6 Milliarden Euro umgesetzt. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum ist dies ein nominales Minus von 2 Prozent. Nach Abzug der lebhaften Preissteigerung dürfte das reale Minus bei etwa 5 Prozent liegen. Es ist davon auszugehen, dass aufgrund der zu erwartenden Rezession der Preisanstieg für Handwerkerleistungen ins Stocken gerät.

Da Beschäftigungseffekte immer erst zeitverzögert auftreten, dürfte sich die Corona-Krise auf die Mitarbeiterzahl im Münchner und oberbayerischen Handwerk bis Ende März noch nicht gravierend ausgewirkt haben. Nach Schätzungen der Kammer waren im 1. Quartal etwa 308.400 Personen in den Betrieben tätig. Binnen Jahresfrist bedeutet dies einen Anstieg um 0,5 Prozent. Dass es überhaupt ein Plus gab, ist auf einen Beschäftigungsüberhang aus dem Vorjahr zurückzuführen. Grundsätzlich ist die Beschäftigungsdynamik im Handwerk nämlich – wie in der Gesamtwirtschaft auch – deutlich rückläufig. Deshalb dürfte die saisonale Belebung auch deutlich schwächer ausfallen als in den Vorjahren. Der Anteil der Betriebe, die eine Aufstockung ihrer Belegschaft plant, sank im Vorjahresvergleich von 17 auf 7 Prozent.

Für das Gesamtjahr wird ein reales Umsatzminus von 5 Prozent erwartet                              

Auch bei ihren Investitionen haben viele Handwerksunternehmen im Kammerbezirk die Corona-Krise bereits einkalkuliert. Der Anteil investierender Betriebe sank im Berichtszeitraum um 6 Punkte auf 30 Prozent. Auch das Volumen war rückläufig. Nach Schätzungen wurden zwischen Januar und März etwa 250 Millionen Euro in neue Fahrzeuge, Gebäude und Maschinen investiert. Das entspricht einem Rückgang von 3,8 Prozent gegenüber dem Jahresstart 2019. Nur 7 Prozent der Handwerker planen eine Steigerung ihrer Investitionstätigkeit in den kommenden Monaten. Die Zahl der Betriebe sank im Berichtszeitraum um 0,1 Prozent auf rund 78.700. Für das Gesamtjahr erwartet die Handwerkskammer ein Umsatzminus von nominal 5 Prozent im Münchner und oberbayerischen Handwerk. Dies gilt aber nur für den Fall, dass die umsatzstarke Bautätigkeit in gewohntem Umfang weiterlaufen kann. Andernfalls könnte das Minus noch deutlich größer ausfallen. Die Zahl der Beschäftigten dürfe um 0,5 Prozent abnehmen, die Investitionen um 4,5 Prozent sinken.

„Momentan leiden die Betriebe vor allem unter der Schließung ihrer Arbeitsstätten und unter fehlendem Material. Aufträge werden storniert, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen z.B. wegen Kinderbetreuung nicht zur Verfügung. Infolge der prognostizierten Rezession wird der private Konsum schwächeln, Investitionen werden deutlich zurückgefahren und Exporte erheblich beeinträchtigt. Das heißt, selbst wenn die direkten Auswirkungen der Pandemie zeitnah überwunden werden könnten, wird diese zweite Welle der Corona-Krise die Handwerkskonjunktur mittelfristig schwer belasten“, berichtet der Kammerpräsident. Um Nachfrage für das Handwerk zu generieren, hat die Kammer Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter in einem Schreiben gebeten, an bereits beschlossenen Investitionsmaßnahmen festzuhalten und notwendige Aufträge der Landeshauptstadt schnell anzugehen.

Peteranderl hält die Entscheidung, heuer auf die Wiesn zu verzichten, für „absolut richtig. Dennoch ist sie auch schmerzhaft, für die Stadt und für das Handwerk: Neben den Gewerken, die normalerweise am Aufbau der Zelte beteiligt sind, wie z.B. Elektro-, Zimmerer- und SHK-Handwerk, trifft die Absage u.a. auch Maß- und Trachtenschneider sowie Modisten, die heuer weniger Dirndl und Hüte verkaufen können. Friseure werden weniger Wiesn-Besucher stylen. Nicht zu vergessen das Lebensmittelhandwerk als Lieferanten für die Festzelte sowie für Hotellerie und Gastronomie.“

Beitrag von Alexander Tauscher zur Handwerkskonjunktur:

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