Präsident Peteranderl im Interview mit dem Bayerischen Fernsehen
Handwerkskammer für München und Oberbayern
Präsident Peteranderl im Interview mit dem Bayerischen Fernsehen

Peteranderl: "Preissteigerung, Energiekosten und Pandemie haben die wirtschaftliche Erholung Ende 2021 ausgebremst"Handwerkskonjunktur schwächt sich ab

27. Januar 2022

Die Konjunktur im bayerischen Handwerk hat sich zum Jahresende 2021 abgeschwächt. 46 Prozent der Betriebe bewerteten ihre aktuelle Geschäftslage im 4. Quartal als gut und weitere 36 Prozent als befriedigend. Obwohl sich die Lage im Vergleich zum Vorjahresquartal (42 Prozent gut und 34 Prozent befriedigend) um insgesamt 6 Punkte deutlich verbesserte, konnte sich die Handwerkskonjunktur im Berichtszeitraum nicht weiter erholen. „Die teils enormen Preissteigerungen bei Holz, Metallen oder Kunststoffen sowie die massiv gestiegenen Energiekosten haben viele Betriebe stark belastet. Zudem haben die anziehende Inflation und die Unsicherheit über die Entwicklung der Pandemie das Konsumklima getrübt und die wirtschaftliche Erholung zum Jahresende weitgehend ausgebremst“, berichtet Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstages (BHT).

Während auf der einen Seite die ungebrochen große Nachfrage nach Wohnraum und Sanierungsleistungen für eine gute Konjunktur im Bau- und Ausbauhandwerk sorgt, hat die Pandemie bei Friseuren, Kosmetikern, Fotografen oder Orthopädietechnikern finanziell tiefe Spuren hinterlassen. Die Handwerke für den gewerblichen Bedarf – das sind unter anderem die Industriezulieferer – konnten sich im 4. Quartal 2021 etwas konsolidieren, während Lieferausfälle infolge der Halbleiterkrise das Kfz-Handwerk vor Probleme stellten. Die Auftragsreichweite im bayerischen Handwerk stieg im Berichtszeitraum im Vergleich zum Vorjahr um 1,0 auf 9,5 Wochen. Das ist ein neuer Rekordwert in einem 4. Quartal. Ein Grund für das Plus bei der Auftragsreichweite sind jedoch auch die Lieferengpässe: Wegen fehlender Materialien können manche Betriebe die Nachfrage nicht in dem Tempo bedienen, wie es bei intakten Lieferketten möglich wäre. Hinzu kommt, dass im Bau und Ausbau bereits vielfach an der Kapazitätsgrenze gearbeitet wird. Die Kapazitätsauslastung der Handwerksbetriebe im Freistaat lag im Berichtszeitraum bei 77 Prozent. Das ist 1 Punkt mehr als vor Jahresfrist.

Rund 946.900 Beschäftigte im Jahresdurchschnitt

Nach BHT-Schätzungen wurden zwischen Oktober und Dezember rund 39,5 Milliarden Euro umgesetzt. Im Vorjahresvergleich entspricht dies einem leichten Rückgang von 0,2 Prozent. Für das Gesamtjahr wird ein Umsatzvolumen von ca. 131,6 Milliarden Euro erwartet. Nominal ist dies zwar ein Plus von 3,2 Prozent, nach Abzug der happigen Preissteigerung verbleibt jedoch ein reales Minus von gut einem Prozent. Die Beschäftigungsentwicklung im bayerischen Handwerk verlief in 2021 weitgehend enttäuschend. Laut Zahlen des Landesamts für Statistik konnten nur das Bauhaupt- und das Ausbaugewerbe zulegen. Alle anderen Bereiche verzeichneten einen Beschäftigungsrückgang. Auch im 4. Quartal deutete nichts auf eine Trendwende hin. Im Jahresdurchschnitt waren 946.900 Personen im bayerischen Handwerk tätig. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Rückgang von knapp einem Prozent oder gut 8.000 Arbeitsplätzen.

Die Investitionstätigkeit im 4. Quartal blieb in absoluten Zahlen leicht hinter dem Vorjahresniveau zurück. Der Anteil investierender Betriebe sank um 1 Punkt auf 40 Prozent. Nach Schätzungen wurden zwischen Oktober und Dezember rund 1,2 Milliarden Euro für neue Fahrzeuge, Software, Gebäude und Ausrüstungen ausgegeben. Das wäre im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von etwa einem Prozent. Im Gesamtjahr lag die Summe der Investitionen bei 3,7 Milliarden Euro und damit um 7,1 Prozent über dem Vorjahreswert. Trotz des insgesamt starken Wachstums konnte der Vor-Pandemiewert noch nicht wieder erreicht werden. 2020 waren die Investitionen um 9,5 Prozent eingebrochen. Zum Jahresende verzeichnete Bayerns Handwerk rund 209.000 Betriebe. Das sind 0,9 Prozent mehr als vor einem Jahr.

Beim Ausblick auf das 1. Quartal 2022 sind die Betriebe eher pessimistisch. Nur 9 Prozent erwarten eine Verbesserung und 21 Prozent eine Verschlechterung ihrer Geschäftslage. Vor einem Jahr war die Stimmung aber noch deutlich negativer (8 Prozent erwarteten bessere, 33 Prozent schlechtere Geschäfte). Außerdem muss berücksichtigt werden, dass der Ausblick auf die Wintermonate im Handwerk traditionell verhalten ausfällt. Die Materialengpässe werden das Handwerk und andere Wirtschaftsbereiche vermutlich noch das ganze Jahr begleiten. Auch die hohe Inflation und der enorme Anstieg der Erzeugerpreise könnten den Konsum bremsen – zum Nachteil für weite Teile des Handwerks. Für das bayerische Handwerk prognostiziert der BHT 2022 ein nominales Umsatzwachstum von gut 4 Prozent. Die Beschäftigung dürfte um bis zu 1 Prozent zulegen.

Mehr Augenmaß bei der Energiewende

Mit Blick auf die Pläne der Bundesregierung in der Umwelt- und Klimapolitik unterstreicht der BHT-Präsident die Bedeutung des Handwerks: „Viele unserer Gewerke spielen eine Hauptrolle bei der Erreichung der Klimaschutzvorgaben, sie sind quasi die Macher der Energiewende: Unsere Betriebe führen energetische Gebäudesanierungen aus, installieren Solarmodule, sorgen für die notwendige Elektrotechnik, erneuern Heizungen, bauen Wärmepumpen und legen Anschlüsse an die Fernwärme- und -kälte.“ Gleichzeitig warnt Peteranderl aber vor einem Wettlauf bei der Umsetzung der Klimaschutzziele und fordert mehr Augenmaß bei der Energiewende: „Deutschland hat sich viel vorgenommen: Wir steigen bis zum Jahresende aus der Kernenergie aus, wollen keine fossilen Energieträger mehr verbrennen und gleichzeitig die Elektromobilität ankurbeln. Allerdings sind die Stromtrassen von Nord nach Süd noch lange nicht fertig. Fachleute müssen gehört werden, ob die Vorgaben auch realisierbar sind. Schließlich ist eine verlässliche Stromversorgung eine Grundvoraussetzung für das produzierende Handwerk und den Mittelstand.“

Fatal auf die Klimaschutzziele dürfte sich der kurzfristige Stopp sämtlicher energiewirtschaftlicher Förderprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) auswirken. Der BHT-Präsident: „Die Förderung im Gebäudebereich über Nacht einzustellen, ist der komplett falsche Weg. Diese Entscheidung wirkt als Investitionsbremse und verunsichert private und gewerbliche Bauherren, die den staatlichen Zuschuss fest eingeplant hatten. Dem Bau- und Ausbauhandwerk fehlt durch das Förder-Aus die nötige Planungssicherheit. Dabei lässt sich gerade im Gebäudebereich mit einfachen Maßnahmen schnell Energie einsparen. Der Bund muss dafür rasch die nötigen Finanzmittel bereitstellen.“

Beitrag von Alexander Tauscher zur Handwerkskonjunktur:

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