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Mindestlohn: Jetzt für weitere Branchen zulässig

Die Einführung flächendeckender tariflicher oder gesetzlicher Mindestlöhne zählt zu den umstrittensten Gesetzesvorhaben der letzten Jahre. Nun hat der Gesetzgeber entschieden. Die Neuregelungen zum Mindestlohn sind im geänderten Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) und im Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen (MiArbG) enthalten. Die Gesetze sind am 24. und 28. April 2009 in Kraft getreten (BGBl. I 2009, S.799  und S. 818). Nachfolgend werden überblicksmäßig wichtige Neuerungen dargestellt.

Neufassung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG)

Nach dem AEntG besteht die Möglichkeit, in einzelnen Branchen, z. B. im Baugewerbe, bestimmte tarifvertragliche Arbeitsbedingungen - wie etwa Mindestentgeltsätze (Mindestlöhne) und Regelungen zum Urlaub (u. a. Dauer, Urlaubsentgelt und Beitragspflichten zu gemeinsamen Urlaubskassen) - für allgemeinverbindlich zu erklären oder durch eine Rechtsverordnung die zwingende Wirkung herbeizuführen.

Rechtsfolge ist, dass alle Arbeitgeber, die unter den fachlichen Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages fallen, verpflichtet sind, ihren Arbeitnehmern mindestens die in dem Tarifvertrag vorgeschriebenen Arbeitsbedingungen zu gewähren. Dies gilt auch für Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, soweit ihre Arbeitnehmer im Bundesgebiet tätig werden.

Das AEntG schreibt umfangreiche Meldepflichten vor. Für Arbeitgeber mit Sitz im Ausland gelten besondere Pflichten. Im Übrigen sind Arbeitgeber verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen mindestens 2 Jahre aufzubewahren. Außerdem ist jeder Arbeitgeber verpflichtet, zu Kontrollzwecken erforderliche Unterlagen bereitzuhalten. Auf Verlangen der Prüfbehörde sind die Unterlagen auch am Ort der Beschäftigung bereitzuhalten, bei Bauleistungen auf der Baustelle.

Die Einhaltung der nach dem AEntG zwingenden Arbeitsbedingungen wird durch die Behörden der Zollverwaltung geprüft und kontrolliert. Bei Zuwiderhandlungen drohen Geldbußen und der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen.

Besonders zu beachten ist weiterhin die Haftung von Auftraggebern. Ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, haftet für die Verpflichtungen dieses Unternehmers, eines Nachunternehmers oder eines von dem Unternehmer oder einem Nachunternehmer beauftragten Verleihers zur Zahlung des Mindestentgelts an Arbeitnehmer oder zur Zahlung von Beiträgen an eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Ein Unternehmer des Baugewerbes, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen im Sinne von § 175 Abs. 2 SGB 3 beauftragt, haftet für die Erfüllung der Pflichten zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen dieses Unternehmers oder eines von diesem Unternehmer beauftragten Verleihers wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Das gilt entsprechend für die vom Nachunternehmer gegenüber ausländischen Sozialversicherungsträgern abzuführenden Beiträge, § 28 e SGB IV. Entsprechend sind auch die sozialversicherungsrechtlichen Aufzeichnungspflichten erweitert, § 28 f SGB IV.

Überblick zu derzeitigen Mindestlöhnen

Verbindliche Mindestlöhne im Sinne des AEntG gelten schon bisher im Abbruchgewerbe, Bauhauptgewerbe, Dachdeckerhandwerk, Elektrohandwerk, Gebäudereinigerhandwerk, Maler- und Lackiererhandwerk und für Briefdienstleistungen.

Neue Branchen

Mit den am 24. April 2009 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen wurden folgende Branchen neu in das AEntG aufgenommen: Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft, Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch, Sicherheitsdienstleistungen, Bergbauspezialarbeiten auf Steinkohlebergwerken, Abfallwirtschaft einschließlich Straßenreinigung und Winterdienst.

Erlass einer Rechtsverordnung

Voraussetzung für eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales nach dem AEntG ist ein gemeinsamer Antrag beider Tarifvertragsparteien auf Allgemeinverbindlicherklärung ihres Tarifvertrages.

Bestehen für eine Branche mehrere Tarifverträge mit zumindest teilweise demselben fachlichen Geltungsbereich, hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales u. a. auch die "Repräsentativität der Tarifverträge" (u. a. Zahl der bei den tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigten Arbeitnehmer) zu berücksichtigen.

Besonderer Schutz der Ansprüche

Ein Verzicht auf das Mindestentgelt ist nur durch gerichtlichen Vergleich zulässig. Der Anspruch auf den Mindestlohn kann nicht verwirkt werden. Ausschlussfristen sind nur unter engen Voraussetzungen zulässig.

Neufassung des Mindestarbeitsbedingungengesetzes

Das Mindestarbeitsbedingungengesetz aus dem Jahr 1952 kam bisher in der Praxis nicht zur Anwendung.

Das neue, ab 28. April 2009 gültige MiArbG lässt nur noch die Festsetzung von Mindestarbeitsentgelten (Mindestlöhnen) zu (bisher: Mindestarbeitsbedingungen). Nach dem MiArbG können Mindestlöhne in Wirtschaftszweigen, in denen es entweder keine Tarifverträge gibt oder in denen weniger als 50 Prozent der Arbeitnehmer bei tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt sind, festgesetzt werden.

Verfahren nach dem MiArbG

Ein beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales eingerichteter Hauptausschuss prüft, ob für einen bestimmten Wirtschaftszweig überhaupt eine Mindestlohnregelung eingeführt werden soll.
Stimmt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einem Beschluss des Hauptausschusses, für einen bestimmten Wirtschaftszweig eine Mindestlohnregelung einzuführen, zu, so wird durch einen für den jeweiligen Wirtschaftszweig einzurichtenden Fachausschuss die konkrete Mindestlohnregelung festgesetzt.

Erlass einer Rechtsverordnung

Eine vom Fachausschuss festgesetzte Mindestlohnregelung kann von der Bundesregierung auf Vorschlag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales durch Rechtsverordnung sodann für verbindlich erklärt werden. Rechtsfolge ist, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, ihren Arbeitnehmern mindestens die in der Rechtsverordnung vorgeschriebenen Mindestlöhne zu gewähren.

Dies gilt auch für Arbeitgeber mit Sitz im Ausland für ihre im Bundesgebiet im Anwendungsbereich der Rechtsverordnung tätigen Arbeitnehmer. Es bestehen umfangreiche Meldepflichten. Auch sind Arbeitgeber verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre aufzubewahren. Für die Überwachung und Kontrolle der Einhaltung der Mindestlöhne ist die Zollverwaltung zuständig. Bei Verstößen drohen Arbeitgebern Bußgelder und der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge.

Besonderer Schutz der Ansprüche

Ein Verzicht auf den festgesetzten Mindestlohn ist nur durch gerichtlichen Vergleich zulässig. Die Verwirkung des Anspruchs auf den Mindestlohn ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen sind insoweit unzulässig.

Vorrang von Tarifverträgen

Mit der Neufassung des MiArbG wurde der bisherige "generelle" Tarifvorrang gelockert. Nach dem neu gefassten § 8 Abs. 2 MiArbG gilt eine Übergangsregelung, wonach ein vor dem 16. Juli 2008 (Zeitpunkt des Gesetzesbeschlusses des Bundeskabinetts) abgeschlossener Tarifvertrag für die Zeit seines Bestehens den durch Rechtsverordnung festgesetzten Mindestentgelten vorgeht. Die Übergangsregelung schützt das Vertrauen der Tarifvertragsparteien auf den Bestand ihrer vor dem Stichtag abgeschlossenen Tarifverträge. Vorrang genießt darüber hinaus auch ein Tarifvertrag, mit dem die Tarifvertragsparteien ihren bestehenden Tarifvertrag im vorgenannten Sinn ablösen oder diesen nach seinem Ablauf durch einen Folgetarifvertrag, der mit diesem in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht, ersetzen.

Links zum Gesetzestext:

Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen

Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen

Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz - AEntG)

Weiterführende Links:

Informationen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales

Informationen des Zolls für Arbeitgeber zum Arbeitnehmer-Entsendegesetz und zu Mindestlöhnen



Mai 2009