Franz Xaver Peteranderl
Handwerkskammer für München und Oberbayern

Peteranderl: "Etwa 30.000 Betriebe von den verschärften Corona-Regelungen betroffen"Handwerkskonjunktur gibt im 4. Quartal 2020 weiter nach

28. Januar 2021

Im oberbayerischen Handwerk sind aktuell etwa 30.000 Betriebe mit geschätzt bis zu 100.000 tätigen Personen von den verschärften Corona-Regelungen betroffen. Die Auflagen verringern die Auslastung der Betriebe oder legen bestimmte Teile des Geschäfts komplett lahm, etwa die Café- und Imbissbereiche bei Bäckern und Metzgern. In anderen Branchen, z.B. bei Friseuren, Gold- und Silberschmieden oder Fotografen sind durch angeordnete Betriebsschließungen die Einnahmen gänzlich weggebrochen. Hinzu kommen indirekt betroffene Gewerke wie z.B. Textilreiniger, die derzeit keine Aufträge von Hotels und Gaststätten erhalten. „Wir fordern daher von der Politik differenziertere Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Weiter nur auf Sicht zu fahren und einen Lockdown an den nächsten zu reihen, reicht nicht aus“, betonte Kammerpräsident Franz Xaver Peteranderl bei der Vorstellung der neuesten Konjunkturzahlen.

Insgesamt bewerteten 49 Prozent der Befragten im oberbayerischen Handwerk ihre aktuelle Lage im 4. Quartal als gut und 26 Prozent als befriedigend. Damit verschlechterten sich die Angaben gegenüber dem Vorjahresquartal um insgesamt 16 Punkte. Bezogen auf die einzelnen Branchen stellt sich das Bild nochmals deutlich differenzierter dar: Rechnet man etwa die Bau- und Ausbauhandwerke heraus, beurteilen nur noch 27 Prozent ihre Geschäftslage positiv – 42 Prozent sehen sie sogar negativ. Abseits von Bau und Ausbau ist die Lage im Handwerk also deutlich schlechter, als es die Durchschnittswerte vermuten lassen.

Der zweite Lockdown ab November hat die konjunkturelle Erholung des vergangenen Sommers endgültig ausgebremst. 42 Prozent der oberbayerischen Handwerksbetriebe verzeichneten im 4. Quartal 2020 eine sinkende Nachfrage nach ihren Produkten und Dienstleistungen. Vor Jahresfrist lag dieser Wert noch bei 22 Prozent. Die Kapazitätsauslastung betrug 75 Prozent. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Rückgang um 6 Punkte. Der Auftragsbestand im Berichtszeitraum lag bei 8,0 Wochen, ein leichter Rückgang um 0,2 Wochen gegenüber dem Vorjahr.

Dass die Umsatzerwartung im 4. Quartal 2020 ebenfalls rückläufig war, überrascht in diesem Zusammenhang nicht. 34 Prozent der Befragten verzeichneten sinkende Umsätze – gegenüber 17 Prozent im Vorjahr. Wie dramatisch die Lage ist, zeigt auch hier ein Blick auf die einzelnen Branchen: Gesunkene Umsätze meldeten im Berichtszeitraum 59 Prozent der Befragten im Kfz-Handwerk, 52 Prozent im Lebensmittelhandwerk und 57 Prozent der privaten Dienstleister.

Nach vorläufigen Schätzungen wurden im 4. Quartal 2020 im oberbayerischen Handwerk ca. 12,4 Milliarden Euro umgesetzt. Dies entspricht einem Minus von nominal 0,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Für das Gesamtjahr wird ein Umsatzvolumen von 43,1 Milliarden Euro erwartet, ein Minus von nominal 0,9 Prozent gegenüber 2019. Dass der Rückgang angesichts der wirtschaftlichen Dimensionen der Corona-Krise auf den ersten Blick relativ gering erscheint, liegt an zwei Faktoren: Die weiterhin starke Baukonjunktur stabilisiert maßgeblich die Gesamtzahlen. Rechnet man die Preissteigerung heraus, dürfte der Umsatzrückgang im oberbayerischen Handwerk in 2020 rund 4 Prozent betragen.

Betriebe halten an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fest

Die mittelfristigen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Beschäftigungssituation im Handwerk sind derzeit nur schwierig zu beziffern. 19 Prozent der Befragten waren im Berichtszeitraum zu einem Abbau ihrer Belegschaft gezwungen. Vor Jahresfrist lag dieser Wert bei 16 Prozent. Saisonal bedingt sind diese Werte nicht besonders auffällig. Nach einer ersten Berechnung waren Ende 2020 etwa 308.000 Personen im oberbayerischen Handwerk tätig, ein Minus von 1,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Über das gesamte Jahr sank die Zahl der Beschäftigten um 0,5 Prozent. Der Kammerpräsident: „Trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten halten die Betriebe an ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fest.“

Auch wenn die Investitionsneigung im Berichtszeitraum gegenüber dem Vorjahr leicht von 41 auf 39 Prozent zurückging, lag das Volumen mit geschätzt 370 Millionen Euro und 5,7 Prozent deutlich im Plus. Dies zeigt, dass die oberbayerischen Handwerker im 4. Quartal erhebliche Finanzmittel aufbrachten, um ihre Betriebe fit für die Zukunft zu machen. In Summe steht in der Investitionsbilanz des Gesamtjahres mit 3,5 Milliarden Euro jedoch ein erhebliches Minus von ca. 9,4 Prozent. Die Zahl der Handwerksbetriebe im Kammerbezirk blieb in 2020 mit rund 79.600 unverändert.

Für die kommenden Monate sind Oberbayerns Handwerkerinnen und Handwerker wenig optimistisch: 32 Prozent der Befragten rechnen mit einer weiteren Verschlechterung der Geschäftslage. Anfang 2020 taten dies 18 Prozent. Während die langfristigen Indikatoren für Bau und Ausbau zumindest auf ein stabiles Jahr 2021 hindeuten, wird die Lage für das Kfz-Handwerk und die Industriezulieferer weiter schwierig bleiben. Erst wenn die Konjunktur wieder anzieht, könnte die zweite Jahreshälfte eine deutliche Erholung bringen. Die Entwicklung der Lebensmittelbetriebe und der Handwerke für den privaten Bedarf hängt maßgeblich davon ab, wann Lockerungen und damit ein einigermaßen normales Konsumverhalten wieder möglich sein werden.

Selten war es schwieriger, eine Prognose für das Gesamtjahr zu stellen. „Wenn die Ansteckungszahlen sinken und der Lockdown zeitnah beendet wird, könnten in den von der Krise besonders schwer getroffenen Gewerken die Verluste des Jahres 2020 zumindest in weiten Teilen wieder aufgeholt werden. Sofern die Baukonjunktur stabil bleibt – hier hoffen wir auf eine ordentliche Nachfrage der öffentlichen Hand – ist für das oberbayerische Handwerk ein Umsatzwachstum von mindestens drei Prozent nominal möglich“, sagt Peteranderl. Bei einer besonders vorteilhaften Konjunkturentwicklung vor allem im Bereich der Handwerke für den gewerblichen Bedarf und des Kfz-Handwerks, könnte das Plus auch größer ausfallen. Die Beschäftigung dürfte in etwa die Verluste des Krisenjahres 2020 wieder aufholen und um 0,5 Prozent wachsen.

Beitrag von Alexander Tauscher zur Handwerkskonjunktur:

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