Fortbildungsprüfung zum Restaurator/in im Vergolder-Handwerk: Rechtsvorschriften

Aufgrund der Beschlüsse des Berufsbildungsausschusses vom 03. MAi 2011 und der Vollversammlung vom 29. Juni 2011 erlässt die Handwerkskammer München und Oberbayern als zuständige Stelle gemäß §§ 42 a, 44 Abs. 4, 91 Abs. 1 Nr. 4a, 106 Abs. 1 Nr. 10 und 106 Abs. 2 der Handwerksordnung folgende Rechtsvorschriften:

§ 1 Ziel der Prüfung und Bezeichnung des Abschlusses

(1)  Durch die Prüfung ist festzustellen, ob der Prüfungsteilnehmer ein ausreichendes Hintergrundwissen in der Kunst- und Kulturgeschichte, den naturwissenschaftlichen Grundlagen und der Materialkunde, der Denkmalpflege und dem Denkmalschutz sowie für die Erstellung einer Dokumentation für den alltäglichen Handlungsbedarf in der Praxis des Restaurators im Handwerk hat und über die notwendige Qualifikation verfügt, folgende Aufgaben eines „Restaurators im Vergolder-Handwerk“ verantwortlich wahrzunehmen:

1.   Erstellen einer Zustandsdiagnose, Bild- und Textdokumentationen sowie Einleiten von Maßnahmen zur Instandhaltung und Instandsetzung unter besonderer Beachtung des historischen Wertes sowie der künstlerischen und gesellschaftlichen Besonderheit eines Denkmals und seiner Teile

2.   Umgang mit wissenschaftlichen Gutachten, Beteiligung bei dem Aufstellen sowie Umsetzen restauratorischer Konzepte, Zusammenarbeit und Abstimmung mit den an dem Projekt Beteiligten

3.   Ausführen von Arbeiten an Kulturdenkmalen und -objekten zur Instandhaltung und -setzung, insbesondere durch Sanieren, Konservieren, Restaurieren, Renovieren und Rekonstruieren

4.   Bearbeiten und Einsetzen historischer und zeitgemäßer Werk- und Hilfsstoffe

(2)  Die erfolgreich abgelegte Prüfung führt zum anerkannten Abschluss „Restaurator im Vergolder-Handwerk/Restauratorin im Vergolder-Handwerk“.

§ 2 Zulassungsvoraussetzungen

(1)  Zur Prüfung ist zuzulassen, wer eine mit Erfolg abgelegte Meisterprüfung im Vergolder-Handwerk nachweist.

(2)  Abweichend von Abs. 1 kann zur Prüfung auch zugelassen werden, wer durch Vorlage von Zeugnissen oder auf andere Weise glaubhaft macht, dass er Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen erworben hat, die die Zulassung zur Prüfung rechtfertigen.

§ 3 Gliederung und Dauer der Prüfung

(1)  Die Prüfung umfasst folgende Prüfungsteile:

1.   eine Projektarbeit und ein sich darauf beziehendes Fachgespräch

2.   einen fachrichtungsübergreifenden Prüfungsteil

3.   einen fachspezifischen Prüfungsteil

(2)  Die Anfertigung der Projektarbeit soll nicht länger als 10 Arbeitstage, das Fachgespräch nicht länger als 30 Minuten dauern. Projektarbeit und Fachgespräch sind gesondert zu bewerten. Die Prüfungsleistungen in der Projektarbeit und im Fachgespräch sind im Verhältnis 3:1 zu gewichten und zu einer Bewertung zusammenzufassen.

(3)  Die Prüfung im fachrichtungsübergreifenden Prüfungsteil ist schriftlich durchzuführen. Sie soll nicht länger als sechs Stunden dauern.

(4)  Die Prüfung im fachspezifischen Prüfungsteil ist schriftlich durchzuführen. Sie soll nicht länger als sechs Stunden dauern.

(5)  Die Bewertungen der Projektarbeit/Fachgespräch, des fachrichtungsübergreifenden sowie des fachspezifischen Prüfungsteils werden zu einer Gesamtnote für die Prüfung im arithmetischen Mittel zusammengefasst.

§ 4 Inhalt der Prüfung

(1)  Der Prüfling hat eine Projektarbeit in Form einer Dokumentation zu erarbeiten. Vor der Anfertigung der Projektarbeit hat der Prüfling das Konzept einschließlich einer Zeitplanung dem Prüfungsausschuss zur Genehmigung vorzulegen.

(2)  Als Projektarbeit kommt folgende Aufgabe in Betracht:

Durchführung von konservatorischen und restauratorischen Maßnahmen, insbesondere vergoldete und/oder gefasste Objekte und Ausstattungsteile aus dem profanen oder sakralen Bereich.

(3)  Die Projektarbeit nach Absatz 2 besteht aus der:

a)   Bestandsaufnahme

b)   Analyse

c)   Entwicklung eines Maßnahmekonzeptes einschließlich Kalkulation

(4)  Durch das Fachgespräch soll der Prüfling zeigen, dass er die der Projektarbeit zugrunde liegenden fachlichen Zusammenhänge aufzeigen, den Ablauf der Projektarbeit begründen und mit der Projektarbeit verbundene berufsbezogene Probleme sowie deren Lösungen darstellen kann.

(5)  Im fachrichtungsübergreifenden Prüfungsteil soll der Prüfling nachweisen, dass er in der Lage ist, beim Lösen von Einzelaufgaben denkmalspezifische Anforderungen, die Arten und Eigenschaften von Materialien sowie Dokumentationsverfahren zu beachten.

Es sind Kenntnisse in folgenden Prüfungsfächern nachzuweisen:

1. Kunst- und Kulturgeschichte

Grundlagen der Kunst- und Kulturgeschichte dargestellt am Beispiel abgeschlossener Epochen wie Antike, Romanik, Gotik, Renaissance, Barock, Rokoko, Klassizismus, Historismus, Klassische Moderne, Baustile bis zur Gegenwart sowie vergleichende Kulturgeschichte

2.   Naturwissenschaftliche Grundlagen und Materialkunde

a)   Grundlagen der Physik

b)   Grundlagen der Chemie

c)   Grundlagen der Biologie

d)   physikalische, chemische und biologische Schadensursachen und Schadensbekämpfung

3.   Denkmalpflege und Denkmalschutz

a)   Grundsätze, Ziele, Aufgaben und Objekte

b)   Denkmalpflegemethodik, Begriffsbestimmung

c)   Rechtliche Grundlagen und Sonderregelungen

d)   Handwerk und Denkmalpflege

4.   Bestandsaufnahme - Dokumentation

a)   Bestandsaufnahme und Dokumentation im Ablauf

b)   Zweck der Bestandsaufnahme und der Dokumentation

c)   Arten und Formen der Dokumentation

d)   Erstellen der Dokumentation

e)   Arbeiten mit vorliegenden Dokumentationen

f)    Präsentationsmethoden und -techniken

(6)  Im fachspezifischen Teil sind Kenntnisse in folgenden Prüfungsfächern nachzuweisen:

1.   Einordnung des Objekts

a)   Kunsthistorische Recherche bei Maßnahmen berücksichtigen

b)   Untergründe, Oberflächen- und Werktechniken, Werkstoffe und Werkzeugspuren definieren, geschichtlich zuordnen und bei Maßnahmen berücksichtigen

c)   Ornamente und Schriften stilgeschichtlich zuordnen und bei Maßnahmen berücksichtigen

2.   Materialkunde

a)   Reinigungs-, Konservierungs- und Festigungsmittel der Maßnahme entsprechend auswählen und deren Verwendung begründen

b)   Bindemittel bestimmen, Bindemittelrezepturen nachstellen, dem Befund entsprechend einsetzen und beschreiben

c)   Pigmente, Füllstoffe, Blatt- und Pulvermetalle, Farbstoffe beschreiben und der Maßnahme entsprechend auswählen

c)   Reinigungs-, Lösemittel, Lösemittelpasten oder Gelee sowie Strahlmittel dem Verwendungszweck zuordnen und deren Eigenschaften beschreiben

e)   Sonstige Werk- und Hilfsstoffe wie Imprägnier-, Festigungs-, Retuschier-, Tönungs-, Überzugs- und Klebemittel sowie Wachse und Formmaterialien der Maßnahme entsprechend zuordnen und deren Eigenschaften beschreiben

3.   Technologie

a)   Konservierungs- und Restaurierungstechniken beschreiben und begründen

b)   Zeichen- und Übertragungstechniken planen und beschreiben, Ornamente rekonstruieren und ergänzen

c)   Abformungen begründen und beschreiben

d)   Teil- und Ganzrekonstruktionen von Vergoldungen, Verzierungs- und Fassmaltechniken begründen und beschreiben

§ 5 Anrechnung anderer Prüfungsleistungen

(1)  Von der Ablegung der Prüfung in einzelnen Prüfungsteilen oder Prüfungsfächern kann der Prüfungsteilnehmer auf Antrag von der Handwerkskammer befreit werden, wenn er vor einer zuständigen Stelle, einer öffentlich oder staatlich anerkannten Bildungseinrichtung oder vor einem staatlichen Prüfungsausschuss eine Prüfung bestanden hat, deren Inhalt den Anforderungen der jeweiligen Prüfungsteile/Prüfungsfächer entspricht.

(2)  Eine vollständige Freistellung ist nicht zulässig.

§ 6 Bestehen der Prüfung

(1)  Die Prüfung ist bestanden, wenn der Prüfling in jedem der drei Prüfungsteile ein mindestens ausreichendes Ergebnis erzielt hat.

(2)  Die schriftliche Prüfung des fachrichtungsübergreifenden Prüfungsteils ist in einem der unter § 4 Abs. 5 genannten Prüfungsfächer auf Antrag des Prüflings oder nach Ermessen des Prüfungsausschusses durch eine mündliche Prüfung zu ergänzen (Ergänzungsprüfung), wenn dies das Bestehen der Prüfung ermöglicht. Die Ergänzungsprüfung soll je Prüfling nicht länger als 20 Minuten dauern. In diesem Prüfungsfach sind die Ergebnisse der schriftlichen Prüfung und der Ergänzungsprüfung im Verhältnis 2:1 zu gewichten.

(3)  Die schriftliche Prüfung des fachspezifischen Prüfungsteils ist in einem der unter § 4 Abs. 6 genannten Prüfungsfächer auf Antrag des Prüflings oder nach Ermessen des Prüfungsausschusses durch eine mündliche Prüfung zu ergänzen (Ergänzungsprüfung), wenn dies das Bestehen der Prüfung ermöglicht. Die Ergänzungsprüfung soll je Prüfling nicht länger als 20 Minuten dauern. In diesem Prüfungsfach sind die Ergebnisse der schriftlichen Prüfung und der Ergänzungsprüfung im Verhältnis 2:1 zu gewichten.

§ 7 Gleichstellung

(1)  Handwerksmeistern, die nachweislich mindestens seit 15 Jahren als Restaurator im Vergolder-Handwerk tätig gewesen sind, ist auf Antrag durch die örtlich zuständige Handwerkskammer zu bescheinigen, dass sie einem Restaurator im Vergolder-Handwerk gleichgestellt sind. Die Bescheinigung darf nur ausgestellt werden, wenn der zuständige Prüfungsausschuss der Handwerkskammer festgestellt hat, dass die Qualifikation des Antragstellers den Anforderungen dieser Fortbildungsprüfungsordnung entspricht.

(2)  Der Nachweis ist durch die Vorlage von Unterlagen (Dokumentationen) von selbst durchgeführten Instandsetzungsarbeiten im Sinne dieser Fortbildungsprüfungsordnung zu führen. Der Antragsteller hat in einem Fachgespräch über ein eingereichtes Projekt nachzuweisen, dass er über die notwendigen Kenntnisse verfügt.

(3)  Die anfallenden Kosten sind vom Antragsteller zu tragen.

(4)  Diese Regelung gilt nur bis zu zwei Jahren nach Inkrafttreten dieser Vorschriften.

§ 8 Anwendung anderer Vorschriften

Soweit diese Rechtsvorschriften keine abweichenden Regelungen enthalten, ist die Prüfungsordnung für die Durchführung von Fortbildungsprüfungen gemäß § 42 c Absatz 1 in Verbindung mit § 38 HwO der Handwerkskammer für München und Oberbayern in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

§ 9 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

(1)   Diese Rechtsvorschriften wurden am 18.07.2011 vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie (Nr. H-4400d/283/10) rechtsaufsichtlich genehmigt. Sie treten am Tag ihrer Veröffentlichung in der „Deutsche Handwerks Zeitung“ Nr. 19 vom 07.10.2011 und ihrer Veröffentlichung auf der Homepage der Handwerkskammer für München und Oberbayern (www.hwk-muenchen.de) unter der Rubrik „Über uns – Rechtsgrundlagen – Änderungen“ in Kraft.

(2)   Gleichzeitig treten die bisherigen Besonderen Rechtsvorschriften zum anerkannten Abschluss Restaurator im Vergolder-Handwerk/Restauratorin im Vergolder-Handwerk vom 26.03.1989 außer Kraft.