Bau
Handwerkskammer für München und Oberbayern

Peteranderl: "So ist die bewährte 'Münchner Mischung' in Gefahr"Handwerkskammer zum Koalitionsvertrag von Grünen und SPD

4. Mai 2020

Die Handwerkskammer sieht die bewährte „Münchner Mischung“ aus Industrie, Handwerk und Gewerbe durch die neue Koalitionsvereinbarung von Grünen und SPD in Gefahr. Zwar betont die Rathaus-Koalition die Bedeutung der Wirtschaftspolitik und macht deutlich, dass der Kommune als Investorin eine entscheidende Rolle zukommt. „Dieser Ansatz ist absolut begrüßenswert. Allerdings habe ich Zweifel, dass diese Gelder auch im Handwerk ankommen“, sagt Kammerpräsident Franz Xaver Peteranderl.

Problematisch sind etwa die Bedingungen, die Grün-Rot an die Vergabe von Gewerbeflächen knüpft: Da das Handwerk eher niederrentierlich ist, können die Betriebe bei der Wirtschaftskraft gegenüber der industriellen Konkurrenz nicht punkten. Auch Werkswohnungen werden Handwerksbetriebe im Regelfall kaum anbieten können. Die Entlohnung der Mitarbeiter sollte die Stadt ebenso wenig zum Kriterium für die Vergabe von Gewerbeflächen machen. Diese im Erbbaurecht zu vergeben, hält die Kammer für wenig hilfreich, da gerade die Corona-Krise nur allzu deutlich zeigt, wie notwendig Eigentum bei der Kreditvergabe ist. Peteranderl kritisiert: „Der Ansatz, gegen die ‚Gentrifizierung bei Gewerbeflächen‘ vorzugehen, indem man Vergabekriterien schafft, die weite Teile von Handwerk und Mittelstand ausschließen, kann so nicht funktionieren. In der Konsequenz wird das produzierende Gewerbe aus der Stadt verdrängt.“

Geplant ist außerdem, Gewerbegebiete wie den Euroindustriepark neu zu überplanen, um ein Nebeneinander von Wohnen und „gestapeltem Gewerbe“ zu ermöglichen. Dabei helfen sollen der Einsatz von Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen und weiterer Werkzeuge des Baugesetzbuches. Dieses Vorgehen könnte zum Vorbild für die übrigen Gewerbegebiete in der Stadt werden. „Der Zwang zur Umstrukturierung kommt quasi einer Enteignung der Betriebe gleich“, schimpft Peteranderl. Schließlich zeigten die Erfahrungen aus der Praxis, dass sich viele Anwohner von den Emissionen der Betriebe – ob Geräusche oder Gerüche – recht schnell gestört fühlen. Peteranderl: „In einer solchen Konstellation wird das Handwerk mittelfristig auf der Strecke bleiben.“

Es sind generell die bewussten Markteingriffe von Grün-Rot, die dem Handwerk Sorgen bereiten. Die Forderung, in Kitas, Schulen, Altenheimen oder auf der Wiesn nur noch Öko-Lebensmittel zuzulassen, klingt zwar zunächst gut. Wie aber Bäcker, Metzger und Konditoren die Umstellung der Produktion auf Bio logistisch und finanziell bewältigen sollen, lässt die Koalition unbeantwortet. „Ein Wirtschaftsprogramm, an dem nur teilhaben kann, wer bereit ist, seine Produktions- und Dienstleistungsprozesse anzupassen, ist weder sozial noch ökologisch und dürfte an einem großen Teil des Handwerks vorbeigehen“, betont der Kammerpräsident.

Kritisch sieht die Handwerkskammer auch die massive Ausweitung von Erhaltungssatzungen. In Gebieten, in denen diese gelten, dürfen bauliche Maßnahmen oder Modernisierungen nicht zu einem überdurchschnittlichen Standard führen. Nutzungsänderungen sowie Rück- und Neubau müssen genehmigt werden. Somit dürfte der Erhaltungsaufwand, den Eigentümer zu betreiben bereit sind, überschaubar sein.

Zum echten Problem für die Handwerksbetriebe wird, dass Radler, Fußgänger und ÖPNV auf Kosten des Autoverkehrs mehr Raum erhalten sollen. Geplant ist, Fuß-, und Radwege wesentlich zu verbreitern, Verkehrsberuhigungskonzepte umzusetzen, „Shared Spaces“ zu schaffen und Busspuren zu vervielfachen. Ebenso sollen jährlich mindestens 500 Parkplätze ersatzlos gestrichen werden. Der Kammerpräsident: „Wie unter diesen Gesichtspunkten künftig Wirtschaftsverkehr abgewickelt werden soll, ist mir schleierhaft. Der Stau in München wird eher zunehmen, die Anfahrtskosten für die Kunden werden sich drastisch erhöhen. Für Handwerk und Gewerbe ist die Erreichbarkeit der Stadt von Mitarbeitern und Kunden jedoch existenziell wichtig.“

Ebenso wird zur Belieferung von Filialen, etwa im Lebensmittelhandwerk, künftig eine größere Zahl von Fahrzeugen erforderlich sein, was im Endeffekt zu noch mehr Verkehr führt. Notfalleinsätze des Handwerks, wie Heizungsreparaturen und Dachausbesserungen können erst mit Verzögerung erfolgen. „Deshalb muss es Ausnahmen für unsere Betriebe, ihre Belegschaft und die Lieferanten geben. Wie die Verkehrswende in München gelingen kann, hat die Handwerkskammer Anfang März mit ihrem Konzept der ‚Roten und Blauen Routen‘ vorgestellt“, erklärt Peteranderl.

Trotz der auf dem Tisch liegenden Probleme setzt der Kammerpräsident auf einen konstruktiven Dialog mit der neuen Stadtregierung: „Der Austausch mit Rathaus und Verwaltung war in der Vergangenheit bei allen Meinungsverschiedenheiten immer gut und vertrauensvoll. Ich bin sicher, dass dies auch unter Grün-Rot so bleibt.“

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