Johanna Breitenberger

Berufsbildung ohne GrenzenJohanna Breitenberger: Eine deutsche Maurerin in Dänemark

Interview: Malte Stegner

Johanna Breitenberger war während ihres zweiten Lehrjahres zur Maurerin für ein dreiwöchiges Praktikum in Dänemark und hat ihr Gewerk in unserem nördlichen Nachbarland unter die Lupe genommen. 



Johanna, schön heute mit dir zu sprechen. Wann warst du in Dänemark und wie lange ging dein Praktikum vor Ort?

Also das waren 3 Wochen, vom 28. April bis zum 16. Mai. In dieser Zeit habe ich mein Praktikum in Dänemark absolviert.  

 

Wo genau war dein Praktikum? Auf dem Festland oder auf einer der zahlreichen Inseln?

Wir waren auf der großen Insel Seeland, der Ort heißt Næstved. Die Stadt ist mit dem Zug nur eine Dreiviertelstunde von Kopenhagen entfernt, also sehr zentral gelegen. Næstved ist an sich schon sehr interessant. Trotzdem haben wir unsere Freizeit auch dazu genutzt, um uns Kopenhagen anzusehen.



„Richtig gut gefallen hat mir, dass ich am ersten Tag bei einer Dänin mitgeschickt wurde, die ebenfalls ihren ersten Arbeitstag in dem Betrieb hatte.“

 

Was hat dich an Dänemark interessiert und was war dort für dich ganz besonders?

Ich war zuvor noch nie in einem der skandinavischen Länder und fand das immer schon super interessant. Ich wollte auch schon seit langem dort einmal Urlaub machen und dann gab es das Angebot von Berufsbildung ohne Grenzen (BOG) dort ein berufsbezogenes Praktikum zu absolvieren. Ich dachte mir, wie kann man ein Land eigentlich besser kennenlernen, als für einen gewissen Zeitraum dort zu leben und zu arbeiten? Für mich war das eine Riesenchance, die ich genutzt habe.

 

Hast du dir deinen Betrieb vor Ort zuvor selbst gesucht oder hattest du Unterstützung aus deinem oberbayerischen Ausbildungsbetrieb?

Meine Berufsschullehrerin hatte uns von der Möglichkeit des Auslandspraktikums erzählt. Ich habe mich dann bei den Mobilitätsberaterinnen der Handwerkskammer gemeldet und sie haben mir von dem konkreten Praktikumsangebot in Næstved erzählt. Die Handwerkskammer hat Kontakt zu einem großen Berufsschulzentrum in der dänischen Stadt. Pernille, die Koordinatorin vor Ort, hat dann innerhalb kürzester Zeit für mich einen Praktikumsplatz in einem Betrieb gefunden. Wohnen konnte ich auf dem Berufsschulcampus und musste mich also um nichts selbst kümmern.

 

Was hast du dein Gewerk dort als Maurerin erlebt?

Richtig gut gefallen hat mir, dass ich am ersten Tag bei einer Dänin mitgeschickt wurde, die ebenfalls ihren ersten Arbeitstag in dem Betrieb hatte. Die entspannte dänische Mentalität konnte ich also von Anfang an erleben. Ich hatte großen Respekt als mein Chef sagte: „Du fährst mir ihr mit, sie ist auch ganz neu dabei – das wird schon.“

Ich dachte mir im ersten Moment, dass das sicherlich schwierig wird. Aber auf der Baustelle hat man uns dann so aufgenommen, als würden wir uns schon zehn Jahre kennen und die erfahreneren Kollegen waren sehr nett. Als Maurer ist man in Dänemark, und ganz besonders im Handwerk selbst, sehr hoch angesehen. Das liegt zum Beispiel daran, dass Maurer hier sehr viel an den Klinkerfassaden arbeiten, für die man ein besonders Knowhow benötigt. Anders als in Deutschland werden die Maurer in Dänemark auch oft nach der Anzahl der verlegten Steine bezahlt. 6.000 - 7.000 verlegte Steine pro Person und Tag sind da keine Seltenheit. Sehr imposant sind dann auch die Werke und Gesellenstücke aus den Berufsschulen.



Das Maurerhandwerk ist in Deutschland sehr männlich dominiert. Wie ist das in Dänemark? Arbeiten dort mehr Frauen in diesem Beruf als bei uns?

In meinem Praktikumsbetrieb konnte ich keinen höheren Frauenanteil als in meinem Ausbildungsbetrieb zu Hause feststellen. Zum Glück ist es aber mittlerweile normal, dass sich auch junge Frauen für das Maurerhandwerk interessieren.



Konntest Du Unterschiede bei der Arbeitsweise erkennen?

Das beginnt aus meiner Sicht schon bei den eingesetzten Materialien. Die Arbeit mit hauptsächlich großen Ziegeln, wie wir sie verwenden, kannten die Dänen, mit denen ich zusammengearbeitet habe, nicht. Im Norden Europas wird wohl viel mit den typischen roten Klinkern, zweischaligem Mauerwerk und porigen Ytong Steinen gearbeitet, um der salzigen Luft besser Stand zu halten. Auch das sind alles Dinge, die bei uns nicht so verbreitet sind.

 

Und in der allgemeinen Arbeitswelt? Dänemark gilt als sehr angestelltenfreundlich. Wie hast du die Arbeit und die Rahmenbedingungen erlebt?

Die Arbeit und das Drumherum habe ich als sehr positiv erlebt. In Deutschland arbeitet man oft, unterbrochen von einer Kaffee- und Mittagspause, zwischen 06:30 Uhr und 16:30 Uhr. In meinem Praktikumsbetrieb wurde um 6 Uhr begonnen (eine Stunde früher als üblich in Dänemark) und bis ca. 14:30 Uhr gearbeitet. Es gab eine Frühstückspause und eine einstündige Mittagspause. Freitags haben wir bis 12 Uhr mittags gearbeitet.
Als ich erzählt habe, dass ich in Deutschland oft erst spät nachmittags nach Hause komme, waren meine Kollegen sehr überrascht.

 

Skandinavische Länder sind ja oft sehr fortschrittlich, was Umweltthemen betrifft. Hast du nachhaltiges Bauen in Dänemark erlebt?

Einen wirklichen Unterschied habe ich in der Bauweise nicht gemerkt. Für so einen tiefen Einblick war die Zeit des Praktikums dann vielleicht doch etwas zu kurz. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass zur Dämmung nachhaltigere Materialien eingesetzt werden, als das bei uns der Fall ist. Und was mich erstaunt hat ist der hohe Anteil von Elektroautos, die ich auf der Straße gesehen habe.

  

Wie bist du mit der Sprache zurechtgekommen? Sie ist unserer ja etwas ähnlich, aber dennoch teilweise fremd. Hast du vorher in Deutschland schon etwas Dänisch gelernt?

Das war sehr kurios. Dänisch hatte ich zuvor nicht gelernt, aber die Sprache ist dem Deutschen auf den ersten Blick sehr ähnlich. Vieles von dem, was man zum Beispiel im Supermarkt liest, kann man sich so recht leicht übersetzten. Ich hatte deshalb auch gedacht, dass ich etwas von dem verstehen kann, was die dänischen Kollegen sagen. Dem war dann aber leider nicht so. Dänen sprechen sehr schnell und verschlucken auch manche Wörter. Aber in Dänemark sprechen viele Leute Englisch, so dass eine Verständigung immer möglich war. Der Seniorchef meines Praktikumsbetriebs konnte sogar einige Wörter Deutsch, da die deutsche Sprache ein gängiges Schulfach in Dänemark ist. Witzig ist, dass bestimmte Begriffe aus dem Maurerhandwerk wie Mörtel oder Fuge in beiden Sprachen genau gleich sind.

 

Wie hast du die Ausbildung in Dänemark erlebt? Was ist vielleicht anders als wir es gewohnt sind?

Die Systeme sind sich glaube ich ähnlich, weil auch in Dänemark im Betrieb und in der Berufsschule gelernt wird. Allerdings sind die Blöcke der Berufsschule meist länger als in Deutschland. Wahrscheinlich auch deshalb, weil die dänischen Lehrlinge oft weit entfernt von der Berufsschule wohnen. Wir konnten uns mit dänischen Lehrlingen austauschen und sie haben davon erzählt, dass sie in der Berufsschule eigene Projekte erhalten, die sie von Anfang bis Ende selbst bearbeiten müssen. Sie bekommen ein paar Eckdaten genannt und dann planen sie alles bis ins Detail am Computer und gehen erst dann in die Bauhalle um praktisch zu arbeiten. Alle haben dadurch viel Zeit, um eigene Ideen umzusetzen. Die Ergebnisse werden immer in der großen Gruppe mit dem Berufsschullehrer besprochen, der dann noch weitere Tipps gibt.



„Als Maurer ist man in Dänemark, und ganz besonders im Handwerk selbst, sehr hoch angesehen. Das liegt zum Beispiel daran, dass Maurer hier sehr viel an den Klinkerfassaden arbeiten, für die man ein besonders Knowhow benötigt.“

 

Gibt es in Dänemark Arbeiten im Maurerhandwerk, die hier mitunter von anderen Gewerken erledigt werden?

Ja, die gibt es. In Dänemark legen die Maurer alle Fliesen selbst. Das ist etwas, was wir hier nicht kennen. Sie bringen ganze Kunstwerke aus Fliesen an die Wand. Bei uns ist der Fliesen-, Platten- und Mosaikleger ja ein eigener Ausbildungsberuf. Im dänischen Maurerhandwerk wird auch sehr viel verputzt, was in Deutschland eher unüblich ist, beziehungsweise von den Malern und Lackierern übernommen wird.

Dafür kennen sich die dänischen Maurer bei den Betonarbeiten nicht aus. Dinge wie das Eisenbinden oder das Schalungsstellen führen sie selbst nicht aus. Die Maurer in Dänemark beginnen ihre Arbeit erst dann, wenn Fundament und Bodenplatte stehen.

 

Hattest du Gelegenheit, dir auch das Land etwas anzusehen?

Da wir bereits am frühen Nachmittag Feierabend hatten, sind wir oft nach Næstved in die Stadt gegangen. Es gibt dort tolle kleine Läden. Am Wochenende sind wir oft aus der Stadt rausgefahren und waren sogar einige Male in Kopenhagen. Mit dem Zug war das gut machbar. Wir sind auch über die Öresundbrücke nach Malmö gefahren und haben uns einen ganz kleinen Teil von Schweden angesehen. Für die kurze Zeit, die wir dort waren, haben wir viel gesehen. 

 

Dänemark ist nicht gerade günstig. Wie hast du das Finanzielle vor Ort gelöst? Hattest du eine Unterstützung durch Erasmus+ oder war dein Praktikum vor Ort bezahlt?

Der Praktikumsbetrieb in Dänemark hat keine Praktikumsvergütung bezahlt. Aber mit dem Erasmus+ Stipendium konnte ich die günstige Unterkunft auf dem Berufsschulgelände, den Flug und die Verpflegung gut bezahlen. Ich musste nur einen kleinen Eigenanteil für Freizeitaktivitäten aufbringen. Positiv war, dass ich bei den Kosten nicht in Vorleistung gehen musste, weil ein Großteil des Stipendiums bereits im Vorfeld ausbezahlt wurde. Den Rest der Fördersumme gab es nach dem Praktikum, als ich dann noch meinen Erfahrungsbericht eingereicht habe.

 

Und wie hast du deine Freizeit verbracht? War es verhältnismäßig einfach für dich, Anschluss zu finden?

Die Tatsache, dass mit mir noch ein zweiter Lehrling aus Oberbayern dabei war, hat einiges leichter gemacht. Zusammen haben wir in unserer Freizeit Museen besucht und Ausflüge unternommen. Zu den dänischen Kolleginnen und Kollegen hatte ich außerhalb der Arbeit keinen Kontakt. Dafür waren sie während der Arbeitszeit sehr aufgeschlossen und haben mich schnell integriert. Das liegt sicher auch an ihrer offenen und freundlichen Art. Sie haben mir viele Tätigkeiten gezeigt und mir immer das Gefühl gegeben alles fragen zu können.

 

Was rätst du anderen Auszubildenden, die gerade vor der Frage stehen, ob sie ein Auslandspraktikum machen sollen?

Da kann ich nur sagen: Sofort anmelden und es einfach wagen! Mein Ausbildungsbetrieb hat mich bei meinem Vorhaben sehr unterstützt. Ich habe damals meinen Chef angerufen und gefragt, ob ich das Praktikum machen darf. Er sagte nur: „So eine Chance bekommt man kein zweites Mal. Melde dich gleich an!“ Man sollte keine Angst vor Neuem oder einer anderen Sprache haben, denn mit Händen und Füßen kann man sich immer irgendwie verständigen. Die anderen sind schließlich auch nur Menschen und man kann beim Erasmus + Programm auch wirklich darauf vertrauen, dass vor Ort Betriebe ausgesucht werden die wirklich Lust darauf haben, Lehrlingen aus dem Ausland ihre Welt zu zeigen. Es ist nicht nur eine persönliche Bereicherung. Ich habe auch meine beruflichen Fähigkeiten erweitert und konnte viel Wissen mitnehmen, was mir jetzt bei meiner täglichen Arbeit hilft. Ich hätte nie gedacht, dass ich so offen auf Menschen zugehen kann. Aber durch mein Praktikum in Dänemark habe ich ganz viel Selbstvertrauen gewonnen.

 



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