Lenze vor der Vollversammlung der HWK: Berufliche und allgemeine Bildung gleich stellen

25. November 2002

Auf die Ausbildung des Berufsnachwuchses kann das Handwerk in München und Oberbayern mit Recht stolz sein. Trotz der schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und zunehmender Existenzsorgen vieler Handwerksbetriebe ist kaum ein Nachlassen der Ausbildungsbereitschaft zu erkennen. Wie der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für München und Oberbayern (HWK), Bernd Lenze, vor der Vollversammlung der Handwerkskammer am 25. November in München und Oberbayern mitteilte, waren Ende Oktober 9 442 neue Lehrverträge registriert. Das bedeute zwar im Vergleich zum Vorjahresstand ein leichtes Minus von 165 oder 1,7 Prozent, gemessen am wirtschaftlichen Umfeld sei das aber hervorragend. Gleichzeitig hätten sogar viele Handwerksbetriebe offene Lehrstellen nicht besetzt werden können. Das Ziel der Berliner Regierungskoalition, mindestens 40 Prozent eines Jahrgangs die Aufnahme eines Hochschulstudiums zu ermöglichen, offenbare einmal mehr ein völlig irregeleitetes bildungspolitisches Verständnis, betonte der Hauptgeschäftsführer. Lenze wörtlich: "Spätestens seit der PISA-Studie sollte doch wohl deutlich geworden sein, dass eine solche Politik zu einer Nivellierung der Bildungseinrichtungen auf niedrigem Niveau führt, in dem Begabte unterfordert und weniger Begabte immer noch überfordert sind." Die berufliche Bildung werde auf diese Weise ausgetrocknet. Lenze: "Wir brauchen statt dessen ein Bildungssystem, das berufliche und allgemeine Bildung gleichwertig nebeneinander stellt und damit eine individuelle Förderung der Stärken des Einzelnen ermöglicht." 
Aus dieser Erfordernis lasse sich aus der Sicht des Handwerks ebenso dringend die Gleichstellung der Meisterprüfung zumindest mit der fachgebundenen Hochschulreife ableiten. Die berufliche Bildung führe zu gleichwertigen Ergebnissen, wenn es um die Studienbefähigung gehe. Die einfachste und fast kostenlose Lösung wäre der direkte Durchstieg der Meister zur Fachhochschule, betonte Lenze. Im Koalitionsvertrag werde auch die Absicht zum Ausdruck gebracht, den durch die "Leipziger Beschlüsse" eingeleiteten Liberalisierungsprozess im Handwerksbereich fortzuführen. Vorgesehen sei eine Lockerung des Inhaberprinzips und eine Erleichterung bei der Betriebsübernahme durch langjährige Gesellen. Eine weitere Liberalisierung des Handwerksrechts sei aber aus Sicht des Handwerks nicht erforderlich, so Lenze, weil die skizzierten Maßnahmen zum Teil dem entsprächen, was gerade bei Betriebsübernahmen im Rahmen von Ausnahmebewilligungen ohnehin gängige Praxis sei. Neue Entwicklungen, die die Stellung des Meisterbriefes gefährden könnten, gebe es auch auf europäischer Ebene. Über den "Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission über die Anerkennung von Berufsqualifikationen" habe im Oktober eine Anhörung des EU-Parlaments - Ausschuss für Recht und Binnenmarkt - stattgefunden. Begrüßenswerterweise sei der Entwurf von den anwesenden Experten aus ganz Europa überwiegend kritisch gesehen und abgelehnt worden. Bis Ende Dezember gebe die EU-Kommission bekannt, ob sie den Entwurf weiter verfolge, Nachbesserungen vornehme oder den vorliegenden Entwurf zurückziehe und eventuell einen völlig neuen Entwurf zu diesem Thema vorlege. Lenze machte deutlich: "Aus Sicht des Handwerks ist der Entwurf nicht sachgerecht. Er widerspricht den Zielen der EU, die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsraums Europa zu verbessern und Berufsausbildung und Qualifikation zu stärken."