Vollversammlung der HandwerkskammerPeteranderl: "Ein selbsttragender Aufschwung ist nicht in Sicht"
26. November 2025
Die oberbayerische Handwerkskonjunktur wird weiterhin von der fehlenden Dynamik in der Gesamtwirtschaft ausgebremst. „Ein selbsttragender Aufschwung ist nicht in Sicht“, berichtete Präsident Franz Xaver Peteranderl bei der Vollversammlung der Handwerkskammer. Die unsicheren Aussichten am Arbeitsmarkt schwächen den privaten Konsum, fehlende Aufträge führen bei den Betrieben zu weniger Investitionen. Ein Lichtblick: Die für das Gesamthandwerk so wichtige Baukonjunktur hat das Ende der Talsohle erreicht.
In seiner Rede bewertete Peteranderl auch die bisherige Arbeit der neuen Bundesregierung: „Der Investitionsbooster, der Bau-Turbo, die Modernisierungsagenda oder der 50-Punkte-Plan zum Bürokratieabbau sind wichtige und richtige Entscheidungen, die auch das Handwerk unterstützen.“ In anderen Bereichen blieb Schwarz-Rot dagegen hinter den Erwartungen zurück. Der Kammerpräsident: „Besonders enttäuschend war die Rücknahme des Versprechens, die Stromsteuer für alle zu senken. Unternehmen, die nicht zum produzierenden Gewerbe gehören, gehen damit leer aus.“ Mit Blick auf anstehende Entscheidungen warnte Peteranderl davor, die Erbschaftssteuer zu erhöhen und Ausnahmen für Betriebsvermögen und Immobilien abzuschaffen. „Der Erhalt von familiär geprägten Handwerksbetrieben muss für die Politik höchste Priorität haben.“ Bei den Lohnzusatzkosten erneuerte er die Forderung des Handwerks, die Arbeit verteuernden Abgaben dauerhaft auf unter 40 Prozent abzusenken: „Ohne weitere Reformen könnten die Sozialabgaben bis Ende des Jahrzehnts auf fast 50 Prozent steigen.“ Als mutmachendes Signal wertete Peteranderl das Ergebnis des Münchner Bürgerentscheids für eine Olympiabewerbung. „Wenn die Landeshauptstadt 2026 als Deutschlands nationaler Bewerber ausgewählt wird, bringt dies unseren Betrieben langfristig Chancen für Aufträge, z.B. im Wohnungsbau und der öffentlichen Infrastruktur. Wir werden die Bewerbung weiterhin unterstützen“, so der Kammerpräsident.
Hauptgeschäftsführer Dr. Frank Hüpers ging in seiner Rede ausführlich auf die Aus- und Weiterbildung ein: Rund 8.800 neue Lehrverträge bis Ende Oktober bedeuten einen leichten Rückgang um 1,4 Prozent. Als Ursache sieht Hüpers die Folgen des demographischen Wandels und der konjunkturellen Stagnation. Dennoch konnten viele freie Lehrstellen nicht besetzt werden. Hüpers: „Die Lücke zwischen angebotenen und besetzten Ausbildungsplätzen ist kleiner geworden.“ Als Herausforderung für die Nachwuchswerbung im Handwerk sieht er auch die diskutierte Wiedereinführung der Wehrpflicht. Zugleich erinnerte der Hauptgeschäftsführer an einen wichtigen politischen Erfolg, den die Kammer in diesem Jahr auf EU-Ebene errungen hat: Man war gegen die Einführung des österreichischen Handwerkerbonus‘, von dem nur Betriebe mit Sitz im Nachbarland profitierten, vorgegangen und hatte erfolgreich Beschwerde bei der EU-Kommission eingelegt. Als Folge musste das Parlament in Wien das Gesetz ändern. Nun erhalten alle Handwerksbetriebe in der EU und im europäischen Wirtschaftsraum den Zuschuss. „Davon profitieren vor allem Oberbayerns Handwerkerinnen und Handwerker im Grenzgebiet“, betonte Hüpers. Als eine der weiteren großen Baustellen in Europa hat die Kammer die „Entwaldungsverordnung“ ausgemacht. Diese würde die Mitgliedsbetriebe mit zusätzlicher Bürokratie belasten. Zwar hat sich der Europäische Rat auf Druck des Handwerks nun darauf verständigt, Dokumentations- und Nachweispflichten zu vereinfachen. „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es müssen jedoch weitergehende Entlastungen durchgesetzt werden und eine zeitnahe Einigung mit dem EU-Parlament erfolgen“, sagte der Hauptgeschäftsführer.
Die Vollversammlung ist das oberste Organ der Handwerkskammer. Ihre Mitglieder, bestehend aus selbstständigen Gewerbetreibenden sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, vertreten die Interessen der knapp 81.200 Mitgliedsbetriebe mit rund 316.000 Beschäftigten – darunter 21.500 Auszubildende. Die Vollversammlung kommt zweimal im Jahr zusammen.