
Handwerkskonjunktur kommt im 1. Quartal nicht in SchwungPeteranderl: "Mutige politische Weichenstellungen, die einen nachhaltigen Aufschwung ermöglichen, fehlen komplett"
10. Mai 2024
Die Konjunktur im bayerischen Handwerk kommt weiterhin nicht in Schwung: 39 Prozent der Betriebe meldeten für das 1. Quartal 2024 eine gute Geschäftslage (minus 3 Punkte im Vorjahresvergleich), 19 Prozent bewerteten sie als schlecht (plus 4 Punkte). Die Handwerkskammern im Freistaat ermittelten in ihren Umfragen zudem eine schwache Nachfrageentwicklung. Besonders deutlich zeigte sich dies im Bauhauptgewerbe, dem Ausbauhandwerk und den Handwerken für den gewerblichen Bedarf. Etwas besser als im Vorjahr lief es dagegen im Lebensmittel- und im Kfz-Handwerk. Insgesamt meldeten im 1. Quartal 17 Prozent der Befragten im bayerischen Handwerk eine gestiegene und 48 Prozent eine konstante Ordertätigkeit. In Summe ist das ein Minus von 5 Punkten.
Die Auslastung der bayerischen Handwerksbetriebe lag im Berichtszeitraum bei 78 Prozent (minus 1 Punkt gegenüber dem Vorjahr). Kfz- und Lebensmittelgewerbe sowie die Handwerke für den privaten Bedarf konnten ihre Auslastung gegen den Trend leicht steigern. Ende März hatten Bayerns Handwerksbetriebe im Durchschnitt noch Aufträge für 8,7 Wochen in ihren Büchern. Im Vorjahresvergleich entspricht dies einem Rückgang von 1,3 Wochen oder 13 Prozent. Besonders stark betroffen war die Baubranche: Im Bauhauptgewerbe sank die Auftragsreichweite um 1,1 und im Ausbauhandwerk sogar um 2,6 Wochen. Neben der schwachen Nachfrage beim Wohnungsbau belasteten auch viele Stornierungen das Geschäft. Laut ifo-Institut waren 22 Prozent der Betriebe im 1. Quartal davon betroffen.
Der langsam abnehmende Preisdruck zeigt sich auch in der Konjunkturumfrage des bayerischen Handwerks: 51 Prozent der Befragten meldeten gestiegene Einkaufspreise – vor Jahresfrist waren es noch über 70 Prozent gewesen. Aufgrund der schwachen Konjunktur konnten jedoch nur 32 Prozent der Betriebe die Preissteigerungen auch an ihre Kunden weitergeben. Vor einem Jahr gelang dies noch 47 Prozent. Das Investitionsklima im bayerischen Handwerk zeigte sich dagegen stabil. Der Anteil investierender Betriebe lag im Berichtszeitraum bei 37 Prozent und damit 1 Punkt unter Vorjahresniveau. Ein deutliches Minus von 7 Punkten vermeldete das normalerweise sehr investitionsstarke Bauhauptgewerbe.
„Die Umsätze im bayerischen Handwerk haben sich in den ersten drei Monaten ausgesprochen schwach entwickelt. Wir schätzen, dass insgesamt 31,2 Milliarden Euro umgesetzt wurden. Nominal entspricht dies einem Rückgang von 1,9 Prozent. Nach Abzug der Preissteigerung muss sogar mit einem realen Minus von 5,6 Prozent gerechnet werden. Dieser schwache Auftakt stellt auch für das restliche Jahr eine schwere Hypothek dar“, betont Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstages (BHT).
Die schwierige konjunkturelle Lage im Handwerk schlägt sich auch in den Beschäftigtenzahlen nieder: 9 Prozent der befragten Betriebe meldeten einen Beschäftigungsaufbau (Vorjahr: 10 Prozent), während 22 Prozent weniger Mitarbeitende registrierten (Vorjahr: 18 Prozent). Nach BHT-Schätzungen waren Ende März 943.300 Personen im bayerischen Handwerk tätig. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein Minus von etwa 7.500 Personen oder 0,8 Prozent.
Auch für die kommenden Monate zeigen sich die bayerischen Handwerksbetriebe wenig zuversichtlich: Lediglich 14 Prozent erwarten eine Belebung der Konjunktur (minus 2 Punkte gegenüber dem Vorjahr), während 18 Prozent (plus 3 Punkte) von einer Verschlechterung ausgehen. „Der Bau ist eine tragende Säule im Handwerk. Die anhaltende Krise im Wohnungsbau zieht mit Verspätung auch andere Bereiche, wie z.B. das Ausbauhandwerk, runter. Dort ist der Stimmungsindikator um 9 Punkte zurückgegangen. Der Anteil der Baubetriebe mit schlechter Lageeinschätzung ist in den ersten drei Monaten um 11 Punkte gestiegen. Auch wenn die Auftragsbestände noch einigermaßen stabilisieren, fehlt es schlicht und ergreifend an Neugeschäft. 40 Prozent der bayerischen Baubetriebe berichteten im 1. Quartal von gesunkenen Auftragseingängen im Vergleich zum Vorquartal“, berichtet Peteranderl. Für das Gesamtjahr 2024 wird im bayerischen Handwerk ein nominales Umsatzwachstum von 3 Prozent erwartet. Abzüglich der Preissteigerung dürfte allerdings wieder ein reales Minus stehen. Mit einem Beschäftigungsaufbau ist auch in diesem Jahr nicht zu rechnen.
Auch die unternehmensnahen Dienstleister und Zulieferbetriebe im Handwerk leiden unter der kraftlosen Konjunktur. Aktuelle Lage, Auftragseingang und Umsätze wurden allesamt schlechter eingeschätzt als vor einem Jahr. Das Kfz-Handwerk profitiert einerseits von der besseren Verfügbarkeit verschiedener Modelle, andererseits hat das Auslaufen der staatlichen Förderung den Absatz von E-Antrieben etwas ausgebremst. Die verbrauchernahen Dienstleister haben weiterhin mit dem schwachen Konsumklima zu kämpfen. Trotz steigender Löhne bleibt die Kauflust der Verbraucherinnen und Verbraucher verhalten. Entspannung zeichnet sich nur langsam ab.
Der BHT-Präsident sieht vorerst keine Anzeichen für eine konjunkturelle Trendwende: „Mutige politische Weichenstellungen, die einen nachhaltigen Aufschwung ermöglichen, fehlen komplett. Das nach zähem Ringen beschlossene Wachstumschancengesetz ist viel zu klein dimensioniert“, betont Peteranderl. Am stärksten belastet die überbordende Bürokratie die kleinen und mittleren Unternehmen. „Es ist nicht mehr damit getan, einzelne Vorschriften zu streichen. Um spürbare Verbesserungen zu erzielen, müssen ganze Regulierungsbereiche wegfallen“, sagt der BHT-Präsident. Eine sinnvolle bürokratische Entlastung wäre beispielsweise, bei der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die Holschuld der Betriebe in eine Bringschuld der Krankenkassen umzuwandeln. Anstatt Investitionen zu erleichtern, müssen Handwerksbetriebe, die bei ihrer Bank einen Kredit aufnehmen möchten, zunächst ihre Nachhaltigkeit belegen. „Auch bei Steuern und Abgaben hinkt Deutschland den internationalen Wettbewerbern weit hinterher“, kritisiert Peteranderl: „Wir brauchen dringend eine Agenda 2025 mit einer grundlegenden Modernisierung der Unternehmenssteuern und einer deutlichen Senkung der Steuerlast für selbstständige Unternehmerinnen und Unternehmer.“
Beitrag von Alexander Tauscher zur Handwerkskonjunktur: