Blätterten bei der Vollversammlung im druckfrischen Geschäftsbericht (v.l.n.r.): Vizepräsident Siegfried Galle, Präsident Heinrich Traublinger, MdL a. D., der Leiter der Staatskanzlei Staatsminister Dr. Marcel Huber, Vizepräsident Franz Xaver Peteranderl und Hauptgeschäftsführer Dr. Lothar Semper
Blätterten bei der Vollversammlung im druckfrischen Geschäftsbericht (v.l.n.r.): Vizepräsident Siegfried Galle, Präsident Heinrich Traublinger, MdL a. D., der Leiter der Staatskanzlei Staatsminister Dr. Marcel Huber, Vizepräsident Franz Xaver Peteranderl und Hauptgeschäftsführer Dr. Lothar Semper

Traublinger fordert "kluge und weitsichtige Wirtschaftspolitik"Vollversammlung der Handwerkskammer

29. Juni 2011

"Die enormen wirtschaftlichen Spannungen im Euro-Raum, steigende Verschuldung und Wachstumsschwäche in den USA, eine zunehmende Inflation, vor allem in den Wachstumsmärkten Asiens – das alles mahnt uns, durch eine kluge und weitsichtige Wirtschaftspolitik die Weichen für eine erfolgreiche wirtschaftliche Zukunft zu stellen", betonte Präsident Heinrich Traublinger, MdL a. D., vor der Vollversammlung der Handwerkskammer in München. Trotz der aktuell positiven Entwicklung sei im oberbayerischen Handwerk keine übertriebene Euphorie zu spüren. Schließlich werde gerade erst wieder das Vorkrisenniveau erreicht.

Ein Thema, das die wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden Jahren auch im Handwerk entscheidend prägen wird, ist die Energiepolitik. "Der Ausstieg aus der Atomenergie, die Einhaltung der Klimaziele und der damit verbundene weitgehende Umstieg auf erneuerbare Energien stellen für Politik und Wirtschaft eine enorme Herausforderung dar. Es sind große Anstrengungen und große Aufmerksamkeit gefordert, dass dieser Weg nicht in die Sackgasse führt", erklärte Traublinger. Als Fachleute für sparsame Energieverwendung und die Nutzung erneuerbarer Energien werde das Handwerk zweifellos einen wichtigen Beitrag zum Gelingen der Energiewende leisten, so der Kammerpräsident. Allerdings müsse insbesondere die Förderung der CO2-Gebäudesanierung aufgestockt und auf hohem Niveau verstetigt werden. Ferner müssten steuerliche Anreize zur Förderung der energetischen Sanierung von Gebäuden geschaffen und die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Umlage der Sanierungskosten auf Mieter verbessert werden. "Das Handwerk wendet sich strikt dagegen, im internationalen Wettbewerb stehende Großunternehmen von Belastungen zu befreien und die Handwerksunternehmen die Zeche zahlen zu lassen, wie dies beispielsweise schon durch den Sockelbetrag bei der Stromsteuer der Fall ist. Weitere Wettbewerbsverzerrungen zulasten der standortgebundenen lokal und regional orientierten Betriebe darf es nicht geben", sagte Traublinger.

Mit Blick auf die Diskussion um die Senkung der Einkommensteuer forderte der Kammerpräsident, angesichts sprudelnder Steuereinnahmen einen Teil der Mittel dafür zu verwenden, die Abgabenlast zu senken, damit die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und die Binnenkonjunktur zu stärken. Traublinger: "Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund des beschleunigten Preisanstiegs. Aus unserer Sicht muss deshalb ein Einstieg in eine Steuerentlastung gerade der kleinen und mittleren Unternehmen erfolgen."

Hauptgeschäftsführer Dr. Lothar Semper ging in seiner Rede auf die Nachwuchs- und Fachkräfteversorgung im Handwerk ein: "Immer mehr Betriebe haben Probleme, freie Arbeits- und Ausbildungsplätze zu besetzen. Und diese Situation wird sich in einigen Jahren noch erheblich verschärfen. In Oberbayern hat in einer Sonderumfrage fast jeder vierte Handwerksbetrieb fehlende Entwicklungsmöglichkeiten aufgrund des Fachkräftemangels beklagt. Nur 40 Prozent der oberbayerischen Handwerksbetriebe sehen sich optimal besetzt." Hochgerechnet ergibt dies deutlich über 10.000 unbesetzte Stellen und damit über eine Milliarde Umsatz, die nicht realisiert werden kann.

Auch wenn durch das Auslaufen der Übergangsregelungen bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit zusätzliche Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, werde Zuwanderung den Fachkräftemangel im Handwerk nicht lösen können, so der Hauptgeschäftsführer. Den Gesetzentwurf der Bundesregierung, durch eine bessere Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen das Arbeitskräftepotenzial im Inland auszuschöpfen, hält das Handwerk grundsätzlich für richtig: "Wir fordern jedoch, dass dadurch weder das Qualifikationsniveau im Handwerk gefährdet, noch unsere beruflichen Abschlüsse entwertet werden." Angesichts des sich verschärfenden Wettbewerbs um die Lehrlinge müssten die Betriebe noch früher auf die Jugendlichen zugehen und sie z.B. nicht nur nach Schulabschluss, sondern vorrangig nach handwerklichem Geschick aussuchen. Semper: "Weiter müssen wir den Lehrlingen noch während der Ausbildung Perspektiven aufzeigen, um sie nach der Lehre im Handwerk zu halten. Es kann nicht sein, dass wir den jungen Männern und Frauen jahrelang etwas beibringen, damit sich andere Wirtschaftsbereiche anschließend die Rosinen herauspicken. Jeder Handwerksbetrieb wird daher künftig verstärkt in die Bereiche Personalplanung und Mitarbeiterentwicklung investieren müssen."

Voraussetzung für den Erfolg des Handwerks im Kampf um den Berufsnachwuchs sei eine leistungsfähige Hauptschule, betonte der Hauptgeschäftsführer. Seit vielen Jahren kommen ca. zwei Drittel der Handwerkslehrlinge von der Hauptschule. "Der Vorschlag des Parteivorstandes der CDU, das dreigliedrige System abzuschaffen, geht daher völlig an den Erfordernissen des Handwerks vorbei. Bayern muss auch in Zukunft an der Hauptschule festhalten. Sie ist hervorragend geeignet, junge Menschen auf Leben und Beruf vorzubereiten. Und das sollte unser aller Anliegen sein", sagte Semper.