Wirtschaftskammern zum Hartz-Papier: Chance auf großen Wurf vertan

16. August 2002

Die Vorschläge der Hartz-Kommission werden das Ziel, die Arbeitslosigkeit zu halbieren, nicht erreichen. Solche Versprechungen erwecken völlig übertriebene Hoffnungen bei den Arbeitslosen und sind deshalb unseriös. Nach Auffassung des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages (BIHK) und des Bayerischen Handwerkstages (BHT) enthalte der Bericht zwar richtige Ansätze, doch leiste das Papier keinen Beitrag dazu, die sozialen Sicherungssysteme grundlegend zu reformieren sowie das Arbeitsrecht zu flexibilisieren, damit neue Arbeitsplätze zu schaffen und die Konjunktur zu beleben.

Zu begrüßen sei, so die Wirtschaftskammern, dass Arbeitslose nun schneller vermittelt werden könnten, die Zumutbarkeitsregeln verschärft und dabei die Beweislast umgekehrt werden sollen. Auch sei die Deregulierung der Zeitarbeit sowie die Befristung von Arbeitsverhältnissen bei älteren Arbeitnehmern ein richtiger Ansatz.

Allerdings, betont Heinrich Traublinger, MdL, Vizepräsident des Bayerischen Handwerkstages, "ist der Beschluss des SPD-Präsidiums, die Hartz-Vorschläge abzusegnen, das Eingeständnis für eine verfehlte Politik der vergangenen Jahre." Das gelte etwa für die Regelungen der Scheinselbständigkeit und der Geringverdiener, die jetzt zurückgenommen würden. "Das ist ein Offenbarungseid", so Traublinger. Ins gleiche Horn stößt BIHK-Präsident Claus Hipp: "Das eigentliche Problem ist, dass in der Wirtschaft derzeit keine neuen Jobs entstehen, nicht zuletzt weil gerade gering qualifizierte Tätigkeiten zu teuer sind."

Wie beim Bündnis für Arbeit habe der Zwang zum Konsens mal wieder zum kleinsten gemeinsamen Nenner geführt. So kritisieren die Wirtschaftskammern am Hartz-Ergebnis besonders, dass die Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld nicht verkürzt wurde und die über 55-jährigen Arbeitslosen von der Verfügbarkeit bei den Arbeitsämtern freigestellt werden sollen. Dies bedeute auch höhere Lohnzusatzkosten. Außerdem dürften diese erfahrenen Kräfte keinesfalls vom Arbeitsmarkt ausgegrenzt werden. Ebenso gehe die vorgesehene Anhebung der Entgeltgrenze für "Mini-Jobs" von monatlich 325 auf 500 Euro bei ausschließlich haushaltsnahen Dienstleistungen völlig am Bedarf vorbei. Hier ist aus der Sicht der bayerischen Kammern die Lösung im "Stoiber-Späth-Plan" geeigneter, wonach die Geringverdiener-Grenze auf 400 Euro angehoben und zwischen 401 und 800 Euro die Sozialabgaben verringert werden sollen. Außerdem enthält er keine Begrenzung auf bestimmte Arbeitsfelder.

Auch sei vom ursprünglichen Ziel, die Arbeitsämter auf ihre Kernaufgaben zu beschränken, in den Hartz-Vorschlägen keine Rede mehr. Durch Job-Center, Personal-Service-Agenturen und Kompetenzzentren entstünden eher mehr Zuständigkeiten. Zudem sei zu befürchten, dass die Personal-Service-Agenturen einen unzulässigen Wettbewerbsvorsprung gegenüber den erwerbswirtschaftlich arbeitenden Zeitarbeits-Firmen erhalten. Ohnehin, so die Wirtschaftskammern, erweckten einige Vorschläge den Eindruck, als habe man eher die Verbesserung der Statistik im Auge als die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Im Übrigen sei vor diesem Hintergrund die öffentlich-pompöse Vorstellung des Papiers im Französischen Dom in Berlin eher ein Element im Wahlkampf als dass es dem Ernst der Sache diene.